Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abenteuer des starken Wanja

Die Abenteuer des starken Wanja

Titel: Die Abenteuer des starken Wanja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
Vom Netzwerk:
und wann, wenn es nicht zu kalt war, ritt er Waron eine Weile aus, um
ihm Bewegung zu verschaffen. Jeden Montag und Donnerstag hackte er mit dem
Handbeil ein Loch in das Eis des Dorfteiches. Anschließend nahm er im
Badehäuschen ein Schwitzbad und schlug sich den nackten Rücken mit
Birkenreisern; dann sprang er mit einem Platsch ins Wasser. Oft spielte er mit
den Dorfkindern, zog sie an einem langen Seil durch den Schnee oder ließ sie
auf seinen Knien reiten. Bisweilen machte er sich auch nützlich im Ort, brach
Eiszapfen von den Dächern, half Wege und Stege freischaufeln, schlug auch wohl,
wenn es nottat, mit bloßer Faust ein paar Wölfe tot.
    So
verstrichen die Wochen, ohne daß sie ihm allzu lang wurden, und er fühlte sich
ganz behaglich dabei.
     
    A ls der Winter zu Ende ging und
der Tauwind einsetzte, wurde Wanja unruhig. Jeden Morgen lief er nun auf die
Straße und suchte nach seinem Pflock. Eines Tages entdeckte er ihn, er wuchs
mit der Zeit immer weiter heraus aus dem glasigen Schnee. Daran konnte Wanja
ablesen, wie der Winter dahinschwand.
    Unter
dem Schnee kam so manches zum Vorschein, was er seit dem vergangenen Herbst
geschluckt hatte: hier ein verrostetes Schaufelblatt, dort ein Handschuh, ein
Holzlöffel, eine Kinderhaube, und drüben am Straßenrand die zerbrochene
Branntweinflasche des alten Jeremenko; er hatte sie eines Abends verloren, als
er von einem Taufschmaus nach Hause getorkelt war.
    Endlich,
nach langem Warten — es ging mittlerweile auf Ostern — fand auch der
Silberdreier sich wieder. Er lag, mit dem Adler nach oben, unweit des Pflockes
in einer Wasserlache. Glanzlos war er geworden und leicht zu verwechseln mit
einem flachen Kieselstein. »Ein Glück, daß ich dich entdeckt habe !« sagte Wanja.
    Er
fischte das Silberstück aus der Pfütze und rieb es am Ärmel trocken.
    »Beim
nächstenmal«, meinte er, »passe ich besser auf. Trotzdem bin ich dir dankbar,
daß ich den Winter mit deiner Hilfe im Warmen verbringen konnte .«
    Noch
in der gleichen Stunde nahm Wanja Abschied von seinem Quartier. Er dankte dem
Schuster und seiner Frau für den Platz unter ihrem Dach und das gute Essen.
    »Magst
du nicht wenigstens über Ostern bleiben ?« fragte
Ossip. »Es geht an den Feiertagen hoch her bei uns, du würdest es nicht bereuen !«
    »Davon
bin ich überzeugt«, sagte Wanja. »Aber ich darf mich nicht länger aufhalten
hier bei euch, jetzt nicht mehr...«
    Er
wünschte den Dorfleuten Glück und Segen und eine gute Zeit. Die Männer und
Frauen winkten ihm unter der Haustür nach, die Kinder begleiteten ihn mit
Lachen und Rufen zum Ort hinaus auf den nächsten Hügel. Dort blieben auch sie
zurück.
    »Komm
bald wieder !« riefen sie. »Hörst du, wir warten auf
dich! Versprich, daß du wiederkommst !«
    Wanja
versprach ihnen nichts. Er ließ seinem Rappen die Zügel schießen und sprengte
ins Land hinaus.

     
    I n der dritten Woche nach Ostern
kam Wanja an einen breiten Strom, dessen anderes Ufer von grauen Nebeln
verhüllt war — so dicht, daß er hätte meinen können, am Meer zu stehen, wären
nicht dann und wann ein Stück Holz, ein paar schwarze Zweige, ein Grasbüschel
langsam an ihm vorbeigetrieben.
    Nach
einigem Suchen fand er die Hütte eines Fährmanns. Ruder und Bootshaken lehnten
am Zaun; und am Flußufer, halb versteckt hinter Erlen und Weidengebüsch, lag
ein flacher Kahn vertäut, eine Plätte. An einem Balken, der unter dem Dach der
Hütte herausragte, hingen an einer Kette ein längliches Eisenstück und daneben,
an einer anderen Kette, ein Hammer. Wanja schlug mit dem Hammer dreimal kräftig
gegen das Eisen: das übliche Zeichen, das man dem Fährmann gab, wenn man
übergesetzt werden wollte.
    Nicht
lange, so kam aus der Hütte ein hagerer alter Mann heraus. Auf seinem von Wind
und Wetter gegerbten Gesicht lag ein Schatten von Trauer und Müdigkeit.
    »Gott
grüß dich, Fremder !«
    »Gott
grüß dich, Väterchen !«
    »Bist
du es, der über den Strom will ?«
    »Ja,
wenn es möglich ist. — Kannst du mir sagen, wo ich den Fährmann finde ?«
    »Der
Fährmann«, sagte der Alte, »bin ich. Bring dein Roß auf die Plätte, ich werde
euch übersetzen .«
    Wanja
führte Waron auf die Fähre und band ihn an einem Querholz fest. Der Alte
schleppte die schweren Ruder herbei.

    Er
machte die Plätte vom Ufer los und stieß ab. Als er jedoch zu den Rudern griff,
meinte der starke Wanja:
    »Halt,
Väterchen — überlaß das mir !«
    Davon
wollte der Alte nichts

Weitere Kostenlose Bücher