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Die Abenteuer des starken Wanja

Die Abenteuer des starken Wanja

Titel: Die Abenteuer des starken Wanja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
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in der dunkelsten Ecke des Stalles ein elender, dürrer Klepper
mit roten Triefaugen und verfilzter Mähne. Müde ließ er den Kopf hängen. Wanja
sah, daß sein schwarzes Fell von der Räude befallen war.
    »Dies
soll Waron sein ?«
    »Du
sagst es .«
    Wanja
besah sich den Rappen näher. Was für ein schäbiges Tier! Doppelt armselig im
Vergleich mit dem Fuchs und der Schimmelstute. Wanja war drauf und dran, sich
für Schneeflöckchen zu entscheiden: Da fiel ihm die Warnung des alten Mannes
ein. Wie zufällig streifte sein Blick die Baba-Jaga, und er sah sie grinsen.
    »Nun ?« drängte die Hexe. »Du hast deine Wahl getroffen ?«
    »O
ja«, sagte Wanja.
    Der
Rappe Waron war mit einem Strick an der Krippe festgebunden. Wanja löste den
Knoten und führte Waron ins Freie. Als sie die Stalltür durchschritten,
verwandelte sich die dürre, räudige Schindmähre in ein strahlendes Heldenroß.
Der Fuchs aber und die Schimmelstute wurden im gleichen Augenblick wieder zu
dem, was sie in Wirklichkeit immer gewesen waren: der Goldfuchs ein Strohwisch,
und Schneeflöckchen eine alte wollene Nachtmütze.
    Der
Baba-Jaga hatte all ihre Hexenkunst nichts genützt. Wütend schwang sie sich auf
den Backofen, schlug ihm die Zügel ums Rohr und ritt kreischend davon. So groß
war ihr Zorn, daß sie Feuer fing. Lichterloh brennend, stürzte sie sich mit dem
Ofen in einen der schwarzen Moortümpel und versank darin.
    »Die
sind wir los !« sagte Wanja. »Nun brauchen die Bauern
sich nicht mehr vor ihr zu fürchten — und das ist gut so .«
    Wohlgefällig
betrachtete er den Rappen Waron, dessen Fell in der Sonne glänzte wie schwarze
Seide. Sattel und Zaumzeug waren mit Silber beschlagen, die Steigbügel und die
Schnallen von purem Gold. »Wie stolz du den Kopf hältst, Waron! Und wie feurig
du in die Runde blickst!«
    Das
edle Roß trug den starken Wanja über das Moor auf die Heide hinaus. Dort hieß
Wanja den Rappen laufen, so schnell er konnte. »Lauf zu, mein Waron, lauf zu !« Da stürmte der Rappe mit Wanja dahin, über Stock und
Stein, schneller noch als der wilde Steppenwind. Die Leute, denen sie unterwegs
begegneten, sahen bloß einen Schatten vorüberhuschen und spürten den scharfen
Luftzug.
    »Was
war das ?« fragten sie. »Will es schon Winter werden?
Es scheint, daß der Sturm uns die ersten Schneewolken übers Land treibt .«
     
    D er Winter in diesem Jahr kam
früh und war streng. In seinem leichten Sommerrock und den Leinenhosen fror
Wanja erbärmlich. Ein Bauernweib hatte Mitleid mit ihm und schenkte ihm einen
alten Pelz.
    »Er
hat meinem seligen Mann gehört, Gott sei ihm gnädig, der braucht ihn jetzt
nicht mehr — und dir, Söhnchen, wird er gute Dienste tun .«
    Der
Pelz war dem starken Wanja ein wenig eng und ein bißchen zu kurz, besonders am
Kragen und an den Ärmeln. Aber was tat es?
    Hauptsache,
daß er ihn halbwegs vor Sturm und Kälte schützte. Jeden Morgen umwickelte Wanja
dem Rappen Waron die Hufe mit Stroh. Auch er wand sich Stroh um die Füße. Damit
lief es sich mühsam im Schnee; doch ihm blieb bei dem grimmigen Frost keine
andere Wahl.
    So
gelangten sie eines Tages müde und frierend in einen Ort, wo die Straße sich
wieder teilte. Der Ort war nicht groß; sechs, acht Bauernhäuser, tief in den
Schnee geduckt, Eisblumen an den Fenstern. Weiß quoll der Rauch aus den
Schornsteinen. Von den Häusern herüber duftete es nach Heu und geschmalzenem
Hirsebrei.
    Wie
in letzter Zeit häufig, dachte der starke Wanja zurück an daheim: an die warme
Wohnstube und den Backofen — ganz besonders an den. »Ach was, ich muß weiter,
sonst frieren wir hier noch an !«
    Er
holte den Silberdreier unter dem Pelz heraus und warf ihn empor, zum wievielten
Male wohl auf seiner Reise? — Zahl links, Adler rechts. Doch als er ihn
auffangen wollte mit seinen klammen Fingern, verfehlte er ihn. Die Münze fiel
in den Schnee und versank darin.
    »Zu
dumm !« meinte Wanja. Er kniete nieder und scharrte mit
beiden Händen im Schnee herum, bis sie vor Kälte schmerzten. »Ich muß mir im
nächsten Haus eine Schaufel leihen«, beschloß er, »sonst friere ich mir die
Finger ab .«
    Unterdessen
hatte ein starkes Schneetreiben eingesetzt. Bisher hatte Wanja es nicht
beachtet. Als er sich nun erhob, um die Schaufel zu holen, peitschte der Wind
ihm den Schneestaub mit solchem Ungestüm ins Gesicht, daß ihm die Augen
tränten. Den Rappen am Zügel, eilte er auf das nächste Haus zu. Nach wenigen
Schritten waren sie über und

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