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Die Abenteuer des starken Wanja

Die Abenteuer des starken Wanja

Titel: Die Abenteuer des starken Wanja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
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schließen, geblendet vom hellen
Tageslicht.
    »Ihr
seid frei«, sagte Foma Drachensohn, »ihr könnt gehen, wohin ihr mögt .«
    Die
Burschen trauten den Worten des steinernen Ritters nicht. Sie drängten sich in
den Schatten der Felswand und zogen die Köpfe ein. »Fürchtet euch nicht !« sagte Wanja. »Alles hat seine Richtigkeit, ihr seid
wirklich frei! Der hier« — er zeigte auf Foma Drachensohn — »ist in meiner
Gewalt .«
    Da
dankten die Burschen Gott und dem starken Wanja für ihre Rettung. Jubelnd
warfen sie die Mützen in die Luft und umarmten einander.
    »Auf,
Brüder !« riefen sie. »Laßt uns nach Hause eilen in
unsere Dörfer! Das wird ein Fest sein, wenn wir zu unseren Leuten zurückkehren !«
    Wanja
reichte allen Burschen die Hand, und die Söhne des Fährmanns bat er, den Alten
von ihm zu grüßen.
    »Aber
jetzt rasch nach Hause, damit euer Vater sich endlich zur Ruhe setzen kann, wie
es ihm zukommt!«
    Lachend
und winkend traten die Burschen den Heimweg an. Selbst jene, die krank und
schwach waren, blieben nicht zurück. Auf ihre Gefährten gestützt, humpelten sie
davon. Bald waren sie hinter den Felsen verschwunden, und Wanja wandte sich
wieder dem steinernen Ritter zu.
    »Nun
die Rüstung !« gebot er.
    Foma
Drachensohn führte den starken Wanja hinab in die Felsenhöhle. Er trug eine
Fackel voran. Seit er im Kampf unterlegen war, schien
ihm die steinerne Rüstung unsäglich schwer geworden zu sein. Mühsam schleppte
er sich die Stufen hinab, viele grob in den Felsen gehauene Stufen, bis sie in ein
Gelaß kamen, dessen Boden mit fauligem Stroh bedeckt war: die Unterkunft der
gefangenen Burschen. Es schauderte Wanja bei dem Gedanken, daß manche von ihnen
seit vielen Jahren hier unten geschmachtet hatten, in diesem finsteren, kalten
Felsenloch.
    Von
dem Gelaß aus führte ein niedriger Gang in drei weitere, hintereinander
gelegene Felsenkammem. In der ersten hingen sechs silberne Rüstungen, in der
zweiten drei goldene: eine schöner und kostbarer als die anderen, kunstvoll
geschmiedet, mit reichem Zierat versehen, jede für sich eines Zaren würdig.
    Foma
Drachensohn wartete eine Weile, bis Wanja sich daran sattgesehen hatte; dann
gingen sie in die dritte Kammer. Dort hing eine einzige Rüstung. Aus Eisen war
sie, ganz unscheinbar, ohne jeden Schmuck. Der Helm war verbeult, das
Bruststück des Panzers mit Rost gesprenkelt.
    »Dies«,
sagte Foma Drachensohn, »ist die Rüstung des Zaren Iwan Wassiljewitsch .«
    »Die ?« fragte Wanja zweifelnd.
    Der
steinerne Ritter legte die Hand aufs Herz.
    »Ich
schwöre es dir — so wahr du mich vorhin im Kampf überwunden hast .«
    Wanja
ließ sich nicht anmerken, wie enttäuscht er war. Er holte die Rüstung von ihrem
Platz und sagte:
    »Gehen
wir !«
    Foma
Drachensohn gab ihm die Fackel.
    »Laß
mich hier unten bleiben«, bat er. »Mir ist nicht danach zumute, die Sonne
wiederzusehen .«
    »Wie
du willst«, sagte Wanja.
    Den
Helm auf den Kopf gestülpt, Rüstung und Lanze unter dem rechten Arm, in der
Linken die Fackel, kehrte er aus der Tiefe des Berges zurück an die Oberwelt.
    Hinter
ihm schloß sich mit Donnergetöse der Eingang zur Felsenhöhle. Er schloß sich
für Zeit und Ewigkeit über dem steinernen Ritter Foma Drachensohn.
     
    E s dunkelte schon, als Wanja bei
seinem Rappen ankam. Waron begrüßte ihn stürmisch. Das gute Tier schien ihn
sehr vermißt zu haben. Wanja streichelte ihm das Fell und sagte:
    »Da
bin ich wieder! Die Bauernburschen sind frei, und die Rüstung des Zaren Iwan
Wassiljewitsch gehört mir. Es ist freilich, wie du bei Tageslicht sehen wirst, keine
besonders prunkvolle Rüstung. Im Gegenteil! Hoffentlich ist sie mir wenigstens
nicht zu eng...«
    Sie
übernachteten unter der überhängenden Felswand.
    Bevor
sie am anderen Morgen aufbrachen, legte der starke Wanja die Rüstung des Zaren
Iwan Wassiljewitsch an — und es zeigte sich, daß sie ihm auf den Leib paßte,
wie für ihn geschmiedet. Und leicht war sie! Leicht und geschmeidig, als sei
sie aus feinstem Leder und nicht aus Eisen.
    »Das
finde ich merkwürdig«, sagte Wanja zu seinem Rappen. »Aber ich denke, es ist
kein Fehler — besonders für dich nicht, der du mich tragen mußt .«
    Er
führte Waron am Zügel bergab; und später, sobald es der Weg erlaubte, schwang
er sich in den Sattel.
    Am
Abend gelangten sie in das Land, das jenseits der Weißen Berge lag. Die Sonne
war untergegangen. Ein warmer Wind wehte aus den Wiesen, nach Salbei und
Quendel duftend.

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