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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Vorschein kamen. Bloß ihr Gesichtsausdruck war sonderbar verändert, denn Alex hatte mit ihrem geballten Grimm gerechnet, und was er sah, war ein Lächeln. Das kannte er gar nicht an ihr, auch wenn er ihr Lachen noch gut im Ohr hatte. Es war eher ein Bellen, immer schallend und immer in den unpassendsten Momenten. Aber was er sah, war eindeutig ein Lächeln, und zwar ein liebevolles, obwohl sie zu einem solchen Gefühl doch ganz bestimmt nicht in der Lage war.
    »Hi, Kate!«, sagte er und fürchtete, seine Großmutter könnte womöglich den Verstand verloren haben.
    »Du kommst eine halbe Stunde zu spät«, sagte sie hustend.
    »Meine Schuld.« Ein Stein fiel ihm vom Herzen: Seine Großmutter war ganz die Alte, das Lächeln war bloß optische Täuschung gewesen.
    Alex packte sie, so schroff er konnte, am Arm und drückte ihr einen Schmatzer auf die Wange. Sie schubste ihn von sich, wischte sich den Kuss mit dem Handrücken weg und sagte, sie sollten etwas trinken gehen, denn bis zum Einchecken nach London und Neu-Delhi hätten sie noch zwei Stunden Zeit. Sie ging mit ihm zum Warteraum der Vielflieger. Kate war ständig unterwegs und leistete sich zumindest diesen Luxus. Sie zeigte ihre Karte vor, und die beiden passierten den Eingang. Und dann sah Alex drei Meter vor sich die Überraschung, die seine Großmutter für ihn vorbereitet hatte: Da stand Nadia.
    Alex kreischte etwas Unverständliches, ließ den Rucksack fallen und wollte schon mit ausgebreiteten Armen auf sie zustürzen, aber dann war ihm das plötzlich schrecklich peinlich. Auch Nadia warputerrot geworden und zögerte einen Augenblick, wusste nicht, wie sie ihn begrüßen sollte, er kam ihr mit einem Mal so fremd vor. So groß hatte sie ihn gar nicht in Erinnerung, und sein Gesicht sah auch anders aus, kantiger irgendwie. Aber schließlich konnte sie ihre Freude nicht länger im Zaum halten und fiel Alex um den Hals. Er hatte sich nicht verguckt: Nadia war kein bisschen gewachsen in der Zwischenzeit. Außerdem war sie noch immer binsendünn, alles an ihr hatte eine Farbe wie Honig, und ihre wilden Locken hatte sie im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebunden, in dem Papageienfedern steckten.
    Kate wartete an der Bar auf ihren Wodka und tat, als wäre sie ganz und gar von einer Modezeitschrift in Anspruch genommen, während Alex und Nadia restlos übergeschnappt umeinander herumhopsten und keinen Ton herausbrachten außer immer wieder ihre Totemnamen: Jaguar, Aguila …
    ~
    Die Idee, Nadia mit auf die Reise zu nehmen, war Kate seit Monaten durch den Kopf gespukt. Sie stand in Kontakt mit Nadias Vater, César Santos, der die Programme der Diamantenstiftung vor Ort überwachte und ein Auge darauf haben sollte, dass sie tatsächlich dem Regenwald und den Indianern am Amazonas zugute kamen. Da er sich in der Region wie kein Zweiter auskannte, war er der ideale Mann für diese Aufgabe. Durch ihn hatte Kate auch erfahren, dass die Nebelmenschen mit der neuen Situation offensichtlich gut zu Rande kamen. Iyomi, die alte Frau, die den Stamm führte, hatte vier Jugendliche, zwei Jungen und zwei Mädchen, nach Manaus zur Schule geschickt. In der Großstadt sollten sie etwas über das Leben der Nahab lernen, wie die Nichtindianer bei ihnen hießen, und würden so einmal zwischen den beiden Kulturen als Vermittler dienen können.
    Während der Rest des Stammes weiterhin mitten im Urwald vom Jagen und Fischen lebte, landeten die vier Abgesandten holterdiepolter im einundzwanzigsten Jahrhundert. Erst mussten sie sich an die Kleider gewöhnen und ein paar Brocken Portugiesisch lernen, aber dann stürzten sie sich mit Feuereifer in die Eroberung»der Zauberdinge der Nahab« und lernten auch gleich zwei geniale Erfindungen kennen: Streichhölzer und Autobusse. Nach sechs Monaten konnten sie mit einem Computer umgehen, und wenn sie so weitermachten, da war sich César Santos sicher, dann würden sie es schon bald mit den bissigen Anwälten der großen Konzerne aufnehmen können, die das Amazonasgebiet schröpften. Wie hatte Iyomi gesagt: »Es gibt verschiedene Arten von Kriegern.«
    Kate hatte César Santos lange in den Ohren gelegen, ihr seine Tochter auf einen Besuch zu schicken. Als sie sich in Caracas trafen, redete sie auf ihn ein, er solle sich ein Beispiel an Iyomi nehmen und Nadia nach New York fliegen lassen. Das Mädchen sei doch alt genug, um endlich einmal aus Santa María de la Lluvia herauszukommen und etwas von der Welt zu sehen. Das mit dem Leben in der Natur

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