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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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war ja schön und gut, auch dass Nadia viel über Tiere und über das Leben der Indianer lernte, aber sie brauchte doch auch eine richtige Ausbildung; ein paar Monate Ferien in etwas dichter besiedelten Gebieten würden ihr gut tun. Insgeheim hoffte sie, dass César Santos nach dieser zeitweiligen Trennung von seiner Tochter seine Bedenken über Bord werfen würde, damit Nadia vielleicht bald in den Vereinigten Staaten auf eine Schule gehen und später studieren konnte.
    Kate war zum ersten Mal in ihrem Leben wild entschlossen, sich um jemanden zu kümmern; selbst ihr Sohn John hatte ja nicht so viel von ihr gehabt, denn der hatte nach ihrer Scheidung bei seinem Vater gelebt. Sie war zwar mit ihrer Arbeit als Reporterin, den vielen Reisen, ihren Alltagsmarotten und ihrer chaotischen Liliputwohnung nicht gerade wie dafür geschaffen, mit jemandem zusammenzuleben, aber mit Nadia war das etwas anderes. Trotz ihrer fünfundsechzig Jahre hatte Kate das Gefühl, dass sie von diesem dreizehnjährigen Mädchen noch eine ganze Menge lernen konnte. Es war, als wüsste Nadia von Dingen, die längst in Vergessenheit geraten waren.
    Alexander gegenüber hatte Kate natürlich kein Sterbenswörtchen über ihre Pläne verlauten lassen, der hätte doch womöglich gedacht, dass sie auf ihre alten Tage gefühlsdusselig wurde. Und das war mitnichten der Fall; immerhin konnte sie viele vernünftige Gründe für Nadias Besuch anführen: Sie brauchte dringendjemanden, der ihre Papiere und Dateien in Ordnung brachte, und außerdem war es reine Platzverschwendung, dass auf dem Klappsofa niemand schlief. Wäre Nadia erst einmal bei ihr eingezogen, würde Kate sie schuften lassen, Verwöhnen kam gar nicht in Frage. Aber mit ihrem Arbeitsprogramm würde sie warten müssen, bis Nadia richtig bei ihr wohnte, vorerst hatte dieser Dickschädel von César Santos sie nur für ein paar Wochen geschickt.
    ~
    Kate hatte nicht damit gerechnet, dass Nadia mit nichts als den Kleidern, die sie am Leib trug, in New York landen würde. Ihr Gepäck bestand aus einer Jacke, zwei Bananen und einer Pappkiste mit Löchern im Deckel. Dort hockte Borobá drin, Nadias schwarzes Äffchen, und der Ärmste war genauso eingeschüchtert wie sie. Die beiden hatten eine lange Reise hinter sich. César Santos hatte seine Tochter in Manaus zum Flughafen gebracht und eine Stewardess gebeten, sich um sie zu kümmern, bis sie in New York wären. Er hatte Nadia auf jeden Oberarm einen Aufkleber mit Kates Telefonnummern und der Adresse geklebt für den Fall, dass sie verloren ging. Die Dinger waren kaum wieder abzubekommen.
    Bisher war Nadia nur in der klapprigen Propellermaschine ihres Vaters geflogen, und Spaß hatte ihr das nie gemacht, denn sie hatte Höhenangst. Als sie das riesige Flugzeug sah, in dem sie für Stunden gefangen sein würde, rutschte ihr das Herz in die Hose. Schon als sie an Bord gingen, waren sie und Borobá ein Häufchen Elend. Der arme Affe war das Eingesperrtsein nicht gewöhnt, und bei dem stundenlangen Motorengedröhn starb er tausend Tode. Endlich in New York angekommen, hob Nadia kurz den Deckel der Kiste an, und der Affe flitzte wie von der Tarantel gestochen heraus und sprang kreischend wildfremden Menschen auf die Schulter, was eine Panik unter den Flugreisenden auslöste. Nadia und Kate brauchten eine halbe Stunde, bis sie ihn wieder eingefangen und beruhigt hatten.
    In den ersten Tagen fiel es Borobá und Nadia schwer, sich in der New Yorker Wohnung einzuleben, aber es dauerte nicht lange, da fanden sie sich in den Straßen zurecht und lernten Leute imViertel kennen. Wo immer sie hinkamen, gab es ein großes Hallo. Ein Affe, der sich wie ein Mensch benahm, und ein Mädchen mit Federn im Haar waren selbst in dieser Stadt ein Ereignis. In den Geschäften bekamen sie Süßigkeiten geschenkt, und die Touristen wollten Fotos von den beiden machen.
    »New York besteht aus einem Haufen Dörfern«, hatte Kate zu Nadia gesagt. »Jeder Stadtteil hat sein eigenes Gesicht. Wenn du erst einmal den Iraner vom Lebensmittelladen, die Vietnamesin in der Wäscherei, den salvadorianischen Briefträger, meinen italienischen Freund aus dem Café an der Ecke und noch ein paar andere Leute kennen gelernt hast, fühlst du dich hier wie in Santa María de la Lluvia.« Nadia hatte bald festgestellt, dass da etwas dran war.
    Kate verhätschelte Nadia nach Strich und Faden, während sie sich einredete, sie könne die Daumenschrauben ja dann später irgendwann anziehen. Sie

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