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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Automobile, und Judit Kinski sei sicher bereits seit einer Weile im Hotel.
    »Der König ist wie ein Mönch gekleidet …«, wunderte sich Alex.
    »Seine Majestät ist unser geistliches Oberhaupt. Die ersten Jahre seines Lebens hat er in einem Kloster in Tibet verbracht. Er ist ein heiliger Mann«, sagte Wangdi und ließ für einen Moment das Steuer los, um die Hände vor dem Gesicht zu falten und den Kopf respektvoll zu neigen.
    »Aber er ist doch verheiratet, ich dachte, Mönche dürften das nicht«, sagte Kate Cold.
    »Viele Mönche leben tatsächlich im Zölibat, aber der König soll heiraten, damit der Krone Kinder geschenkt werden. Seine Majestät ist Witwer. Seine geliebte Gattin starb vor zehn Jahren.«
    »Wie viele Kinder hat er denn?«
    »Sie wurden mit vier Söhnen und fünf Töchtern gesegnet. Einer seiner Söhne wird einmal König sein. Hier ist es nicht wie in England, wo der älteste die Krone erbt. Bei uns wird der Sohn mit dem reinsten Herzen zu unserem König, wenn sein Vater stirbt«, erklärte ihnen Wandgi.
    »Wie weiß man, welcher das reinste Herz hat?«, wollte Nadia wissen.
    »Der König und die Königin kennen ihre Kinder gut und schätzen sie eigentlich immer richtig ein, aber ihre Entscheidung muss vom Großen Lama bestätigt werden, der die Sterne befragt und das ausgewählte Kind vielen Proben unterzieht, um zu ergründen, ob es wirklich die Wiedergeburt eines früheren Herrschers ist.«
    Wandgi erzählte ihnen, dass die Proben niemals fehlgingen. So musste der Prinz sieben Gegenstände erkennen, die schon dem ersten Herrscher im Reich des Goldenen Drachen vor eintausendachthundert Jahren gehört hatten. Die Gegenstände wurden mit anderen zusammen auf den Boden gelegt, und das Kind wählte aus. Bestand es diese erste Probe, musste es ein Wildpferd reiten. Wenn das Kind die Wiedergeburt eines Königs war, spürte das Tier seine Macht und wurde ruhig. Auch musste der zukünftige König die eisigen Stromschnellen des heiligen Flusses durchschwimmen.Denjenigen, die ein reines Herz hatten, half die Strömung, die anderen gingen unter. Die Proben für den Prinzen hatten noch nie versagt.
    Im Laufe seiner langen Geschichte hatten immer gerechte und weitblickende Herrscher das Verbotene Reich regiert, sagte Wandgi, und das Land war nie überfallen oder kolonialisiert worden, obwohl sein Heer der Übermacht aus Indien oder China niemals hätte standhalten können. Von den Kindern des jetzigen Königs war der jüngste Sohn, der noch ein kleiner Junge gewesen war, als seine Mutter starb, dazu ausersehen, den Thron von seinem Vater zu erben. Die Lamas hatten ihm den Namen gegeben, den er bereits in früheren Wiedergeburten getragen hatte: Dil Bahadur, tapferes Herz. Seit er ausgewählt worden war, hatte ihn niemand mehr gesehen, denn er wurde an einem geheim gehaltenen Ort unterrichtet.
    Kate Cold nutzte die Gelegenheit, Wandgi nach dem Goldenen Drachen zu fragen. Er reagierte zwar etwas zugeknöpft, dennoch ließen sich aus seiner ausweichenden Antwort einige Schlüsse ziehen. Offensichtlich konnte die Statue die Zukunft vorhersagen, aber nur der König war imstande, das verschlüsselte Orakel zu deuten. Er musste ein reines Herz haben, da die Macht des Goldenen Drachen einzig dem Wohl des Landes dienen sollte und niemals persönlichen Zielen. Das Herz des Königs durfte keine Habgier kennen.
    ~
    Sie kamen an Bauernhäusern und vielen Tempeln vorbei, die man schon von weitem an den im Wind flatternden Gebetsfahnen erkennen konnte, die den langen Standarten am Flughafen ähnelten. Ihr Reiseführer grüßte alle Leute, denen sie unterwegs begegneten; anscheinend kannte hier jeder jeden.
    Immer wieder überholten sie Gruppen von kleinen Buben, die in dunkelrote Mönchsumhänge gehüllt waren, und Wandgi erklärte ihnen, dass man die meisten Kinder in Klöstern unterrichtete, in die sie aufgenommen wurden, wenn sie fünf oder sechs Jahre alt waren. Manche blieben ihr Leben lang im Kloster, weil siedem Vorbild ihrer Meister, der Lamas, folgen wollten. Die Mädchen besuchten ihre eigenen Schulen. Es gab eine Universität im Land, aber die meisten Studenten wurden in Indien und einige in England ausgebildet, wenn ihre Eltern es sich leisten konnten oder sie ein staatliches Stipendium bekamen.
    Auf den Dächern einiger kleiner Lebensmittelläden waren Fernsehantennen angebracht. Wandgi erklärte, dass sich die Bewohner der umliegenden Häuser dort trafen, wenn etwas gesendet wurde, allerdings gab es nicht

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