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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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gingen an den Würdenträgern und an den Kindern mit den Blumenkörben vorbei, ohne dass sie irgendwer eines Blickes würdigte, als wären sie Luft.
    Hinter ihnen kam Judit Kinski, gelassen, strahlend, vollkommen unzerknautscht. Da begannen die Musiker ein ohrenbetäubendes Getrommel und Getröte, die Kinder ließen einen Regen aus Blütenblättern niedergehen, und die Würdenträger verbeugten sich tief. Judit Kinski erwiderte den Gruß mit einer leichten Neigung des Oberkörpers und streckte die Arme aus, damit die Minister die weißen Seidenschals, die Katas, darüber legen konnten.
    Die Reisenden des International Geographic sahen, wie eine Abordnung festlich gekleideter Leute aus dem Gebäude mit dem Pagodendach trat. In der Mitte schritt ein Mann, der ungefähr sechzig Jahre alt und größer war als die anderen, er hatte etwas Jungenhaftes an sich, trug einen schlichten langen Rock, einen so genannten Sarong, in Dunkelrot und ein safrangelbes Tuch über der linken Schulter. Sein rasierter Kopf war unbedeckt. Er ging barfuß, und sein einziger Schmuck waren ein Gebetskettchen aus Bernsteinperlen am Arm und ein Medaillon, das um seinen Hals hing. Trotz seines schlichten Auftretens, das in solch krassem Widerspruch zu der pompösen Kleidung der anderen stand, wussten sie sofort, dass er der König war. Sie traten ein Stück zur Seite, um ihm Platz zu machen, und folgten unwillkürlich dem Beispiel der Umstehenden, die sich tief verbeugten.
    ~
    Der König begrüßte Judit Kinski mit einer Neigung des Kopfes, und sie erwiderte die Geste schweigend; begleitet von einer Reihe komplizierter Ehrenbezeugungen, tauschten sie dann die Begrüßungsschals. Judit Kinski durchlief die Zeremonie, ohne ein einziges Mal ins Stocken zu geraten; sie hatte nicht übertrieben, als sie zu Kate Cold sagte, sie habe sich gründlich auf die Gepflogenheiten im Verbotenen Reich vorbereitet. Als die förmliche Begrüßung beendet war, schenkten sie und der König einander ein herzliches Lächeln und gaben sich, wie im Westen üblich, die Hand.
    »Willkommen in unserem bescheidenen Land«, sagte der Monarch in einem sehr britischen Englisch.
    Der König und sein Gast zogen sich zurück, das vielköpfige Gefolge hinterher, während Kate und die anderen sich reichlich verdattert am Kopf kratzten. Judit Kinski musste ja mächtig Eindruck auf den König gemacht haben, dass der diese Landschaftsgärtnerin, die in seinem Park ein paar Tulpenzwiebeln vergraben sollte, empfing wie eine Botschafterin mit Sondervollmachten.
    Sie waren gerade dabei, ihre Rucksäcke und die Kisten mit den Kameras und Stativen der Fotografen aus dem Flugzeug zu laden, als ein Mann zu ihnen trat, der sich als Wandgi vorstellte, ihr Reiseführer und Dolmetscher. Er trug die landesübliche Tracht: einen Sarong mit einer gestreiften Schärpe, eine ärmellose, kurze Weste und weiche Lederstiefel. Kate wunderte sich über den italienischen Hut, so einen, wie man ihn von den Gangstern in Mafiafilmen kennt.
    Sie verstauten das Gepäck in einem klapprigen Jeep, zwängten sich irgendwie dazwischen und fuhren los in Richtung Hauptstadt, die nach Wandgis Worten »gleich da vorn« lag, wobei die Fahrt dann knapp drei Stunden dauerte, weil sich das, was er »Straße« nannte, als schmaler, kurvenreicher Feldweg entpuppte. Ihr Reiseleiter sprach ein altmodisches Englisch, und seine Betonung war gewöhnungsbedürftig, als habe er die Sprache aus Büchern gelernt und wenig Gelegenheit gehabt, sie auch tatsächlich einmal mit jemandem zu sprechen.
    Auf dem Weg sahen sie viele Wanderer in Mönchsumhängen, Männer und Frauen, alte und junge, manche noch Kinder von vielleicht fünf oder sechs Jahren, die mit ihren Blechnäpfen in der Hand an den Haustüren um etwas zu essen baten. Auch schwer mit Taschen behängte Bauern, Jugendliche auf Fahrrädern und Ochsenkarren waren hier unterwegs. Die Menschen sahen alle sehr schön aus, sie waren mittelgroß, ihre Gesichter hatten etwas Vornehmes, und ihre Haltung war würdevoll. Alle lächelten, als hätten sie eine natürliche Neigung zum Frohsein. Die einzigen motorisierten Gefährte, die dem Jeep begegneten, waren ein uraltes Motorrad, das mehr schlecht als recht mit einem Regenschirm überdacht war, und ein knallbunt bemalter Kleinbus, der ihnen vollgestopft mit Menschen, Tieren und Gepäck entgegenrumpelte. Sie mussten in den Graben ausweichen, denn der Weg war für diezwei Vehikel zu schmal. Wandgi sagte, der König besitze mehrere neue

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