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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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rund um die Uhr Strom, weshalb die Sendezeiten von Tag zu Tag wechselten. Er erzählte ihnen auch, dass es fast überall im Land Telefon gab, fand man keine Poststation, konnte man zum Telefonieren in die Klosterschule gehen, wo immer ein Apparat vorhanden war. Zu Hause hatte natürlich keiner ein Telefon, das brauchte man ja auch nicht. Timothy Bruce warf Joel González einen skeptischen Blick zu und fragte, ob ihre Handys hier wohl funktionieren würden.
    »Wegen der Berge ist die Reichweite dieser Telefone recht begrenzt, daher kennt man sie hier fast nicht. Ich habe allerdings gehört, bei Ihnen zu Hause sprechen die Menschen gar nicht mehr persönlich miteinander, sondern telefonieren nur noch«, sagte Wandgi.
    »Und schreiben sich eine E-Mail nach der anderen«, ergänzte Alex.
    »Auch davon habe ich gehört, aber gesehen habe ich das noch nie.«
    Die Landschaft um sie herum war traumhaft und vollkommen unberührt vom technischen Fortschritt. Die Felder wurden mit Ochsen bestellt, die gemächlich die Pflüge zogen. Smaragdgrüne Reisfelder wogten auf den Terrassen an den Berghängen. Der Weg war gesäumt von Bäumen und Blumen, die sie noch nie gesehen hatten, und im Hintergrund erhoben sich die schneebedeckten Gipfel des Himalaja.
    Alex machte eine Bemerkung über die veraltete Art, wie die Bauern hier arbeiteten, aber seine Großmutter widersprach ihm, denn Produktivität sei schließlich nicht alles und dieses Land das einzige der Welt, das den Schutz der Natur wichtiger nahm als das Geschäft. Das Lächeln auf Wandgis Gesicht wurde breiter, als siedas sagte, aber er schwieg, denn er wollte die Gäste nicht beleidigen, die doch aus einem Land kamen, wo das Geschäft, wie er gehört hatte, wichtiger war als alles andere.
    Zwei Stunden später war die Sonne hinter den Bergen versunken, und Dunkelheit legte sich über das Grün der Reisfelder. Hier und da flackerte das Licht der Butterlampen in Häusern und Tempeln. Von fern drang der kehlige Ton der Langhörner zu ihnen, mit denen die Mönche zum Abendgebet riefen.
    Wenig später tauchten die ersten Häuser von Tunkhala auf, der Hauptstadt, die eher einem großen Dorf glich. Die Hauptstraße wurde von einigen Laternen erhellt, und sie konnten sehen, wie sauber alles war und wie geordnet es zuging, obwohl eine buntscheckige Gesellschaft die Straßen bevölkerte: Yaks trotteten zwischen italienischen Mopeds herum, alte Frauen mit ihren Enkeln auf dem Rücken überquerten langsam die Fahrbahn, und Polizisten, die aussahen wie Prinzen aus längst vergangenen Zeiten, regelten den Verkehr. Viele Haustüren standen sperrangelweit offen, und Wandgi sagte ihnen, hier gebe es so gut wie keine Verbrechen, außerdem würden sich alle kennen. Wer ein Haus betrat, war entweder ein Freund oder gehörte zur Familie. Die Polizei hatte wenig zu tun, sie brauchte bloß die Grenzen zu überwachen, bei Festen für Ordnung zu sorgen und ein Auge auf die aufmüpfigen Studenten zu haben.
    Die Geschäfte hatten noch geöffnet. Wandgi hielt vor einem Laden, der kaum größer war als ein Wandschrank, wo Zahnpasta, Süßigkeiten, Farbfilme, von der Sonne ausgebleichte Ansichtskarten und einige Zeitschriften und Tageszeitungen aus Nepal, Indien und China verkauft wurden. Auch leere Dosen, Flaschen und gebrauchte Papiertüten konnte man hier erstehen. Offensichtlich waren auch diese Dinge hier wertvoll, denn es gab sie wohl nicht im Überfluss. Deshalb hoben die Leute alles auf und verwendeten es wieder. Eine Plastiktüte oder ein Gefäß aus Glas waren kleine Schätze.
    »Dies ist mein bescheidener Laden und gleich nebenan mein kleines Haus, in dem es mir eine große Ehre wäre, Sie einmal als meine Gäste willkommen zu heißen«, sagte Wandgi und wurde rot dabei, denn er fürchtete, die Ausländer könnten das als einen Mangel an Zurückhaltung deuten.
    Ein Mädchen von etwa fünfzehn Jahren trat aus der Tür, um sie zu begrüßen.
    »Und das ist meine Tochter Pema«, stellte Wandgi sie vor.
    »Das bedeutet Liebe.« Das war Alex so herausgerutscht, und er wurde gleich ebenfalls rot.
    Kate sah ihn verdutzt von der Seite an. Er zwinkerte ihr zu und raunte, das habe er vor der Abfahrt in der Schulbibliothek gelesen.
    »Was hast du denn sonst noch so gelernt?«, fragte sie leise.
    »Frag mich was, Kate«, antwortete er, noch immer tuschelnd. »Du wirst sehen, ich weiß fast so viel wie Judit Kinski.«
    Pema strahlte sie an, faltete die Hände vor dem Gesicht und verbeugte sich zum

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