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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Stunde haben wir die Wolken wohl hinter uns«, beruhigte sie der Pilot und versicherte ihnen, dass sie Glück gehabt hatten, denn die Flüge wurden wegen des Wetters häufig verschoben.
    Jaguar und Aguila waren froh, dass wenigstens Tex Gürteltier nicht mit an Bord war.

SIEBTES KAPITEL
Im Verbotenen Reich
    Was ihnen jetzt geschah, übertraf ihre schlimmsten Befürchtungen. Eine Achterbahnfahrt war beschaulich dagegen. Die Ohren gingen ihnen zu, und sie spürten eine saugende Leere im Magen, als das Flugzeug wie ein senkrecht abgefeuerter Pfeil in die Höhe schoss. Dann stürzten sie unvermittelt viele hundert Meter schnabelabwärts und spürten, wie sich ihre Gedärme gegen die Schädeldecke pressten. Als man endlich hätte denken können, das Flugzeug habe sich etwas gefangen, riss der Pilot die Maschine in einer scharfen Kehre herum, um einem Himalajagipfel auszuweichen, und die Passagiere standen fast auf dem Kopf; danach das gleiche Ausweichmanöver zur anderen Seite.
    Durch die Fenster konnten sie links und rechts die Berghänge sehen, und unten, sehr weit unten, klafften Schluchten, deren Grund kaum auszumachen war. Eine falsche Bewegung oder ein Zaudern des Piloten, und diese Spielzeugmaschine würde an den Felsen zerschellen oder wie ein Stein vom Himmel fallen. Der Wind kam mal von hier, mal von da, schob sie einmal in einem Höllentempo an, blies dann plötzlich, kaum waren sie an einem Berg vorbei, von vorn, so dass es aussah, als würden sie sich nicht mehr vom Fleck bewegen.
    Der indische Geschäftsmann und der junge Arzt aus dem Verbotenen Reich klammerten sich etwas nervös an die Armstützen ihrer Sitze, versicherten indes, sie würden das schon kennen. Die anderen pressten sich beide Hände auf den Magen, um die Übelkeit und die Angst unter Kontrolle zu halten. Keiner sagte ein Wort, bloß Joel González murmelte kreidebleich im Gesicht Gebete vor sich hin und streichelte das Silberkreuz um seinen Hals. Alle linsten von Zeit zu Zeit zu Judit Kinski hinüber, die es bei dem Geschaukel sogar schaffte, in einem Buch über Tulpen zu blättern.
    Ein paar Stunden, lang wie Tage, ging das so, bis sie schließlich das Verbotene Reich von oben sehen konnten: Zwischen majestätischen, verschneiten Bergen schlängelten sich enge Täler, an derenHängen Terrassen mit üppiger subtropischer Vegetation hinaufwuchsen. Wie Ansammlungen weißer Puppenhäuschen konnte man hier und da verstreut Dörfer erkennen, manche davon an völlig unzugänglichen Stellen. Die kleine Hauptstadt lag am Ende eines langgezogenen Talkessels. Es schien ausgeschlossen, hier zu landen, aber der Pilot war mit allen Wassern gewaschen. Er ging tiefer, machte über der Stadt kehrt und hielt wenig später im Sturzflug auf eine kurze in den Wald geschlagene Schneise zu. Als das Fahrwerk schließlich den Boden berührte, bejubelten ihn seine Passagiere wie einen Helden. Von draußen wurde eine kleine Treppe herangeschoben, und die Flugzeugtür ging auf. Ächzend erhoben sich die Passagiere von ihren Sitzen und torkelten mit dem Gefühl, sich gleich übergeben zu müssen oder die Besinnung zu verlieren, auf die Öffnung zu, bloß Judit Kinski bewahrte so etwas wie Haltung.
    Als erste war Kate Cold an der Tür. Ein frischer Luftzug wehte ihr ins Gesicht und brachte sie zurück unter die Lebenden. Sie staunte nicht schlecht, denn am Fuß der Treppe lag ein kunstvoll geknüpfter Teppich, der vom Flugzeug bis zu einem kleinen, bunt bemalten Holzgebäude mit Pagodendach führte. Zu beiden Seiten des Teppichs standen Kinder mit Körben voller Blütenblätter im Arm. Die ganze Strecke war von schlanken Pfosten gesäumt, an denen lange Seidenstandarten im Wind flatterten. Etliche Musiker mit leuchtend bunten Gewändern und ausladenden Hüten standen mit Trommeln und Blechblasinstrumenten vor dem Holzgebäude.
    Am Fuß der Treppe warteten vier Würdenträger in festlichem Ornat: Seidenröcke mit breiten, straff gebundenen Schärpen in Dunkelblau, ein Zeichen für die Ministerwürde, lange, mit Korallen und Türkisen bestickte Jacken, hohe spitze Lederhüte mit Goldverzierungen und Bändern. In den Händen hielten sie dünne weiße Schals.
    »Huch! Was für ein schöner Empfang, damit hatte ich gar nicht gerechnet!«, rief Kate und strich sich ihre grauen Pinselhaare und die fürchterliche Tausendtaschenweste zurecht.
    Dann schritt sie, gefolgt von ihren Gefährten, die Treppe hinunter, lächelte und winkte, aber niemand erwiderte ihren Gruß.Sie

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