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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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würde sie also erst einmal weiter hinauf klettern, auch wenn sie sich dadurch zunächst von ihrem Ziel entfernte und keine Zeit zu verlieren war: Pema und die anderen brauchten so schnell wie möglich Hilfe. Sie hoffte, es bis zum Morgen auf die Bergkuppe zu schaffen und von dort aus sehen zu können, wo sie war; es musste doch einen anderen Weg hinunter ins Tal geben.
    Der Aufstieg entpuppte sich als sehr viel zeitraubender und anstrengender, als sie sich das vorgestellt hatte, weil der Hang voller Geröll lag und sie in dem spärlichen Mondlicht kaum etwas erkennen konnte. Wieder und wieder rutschte sie ab und fiel hin. Der qualvolle Ritt steckte ihr noch in den Knochen, von dem Schlag über den Schädel brummte ihr der Kopf, und sie hatte überall blaue Flecken, aber sie zwang sich, nicht darauf zu achten. Ihr Atem ging schwer, es rauschte in ihren Ohren; das musste an der dünnen Luft hier oben liegen; Kate hatte sie vorgewarnt.
    Zwischen den Felsen wuchsen kleine Büsche, die im Winter unter Schnee und Eis verschwanden, aber jetzt im Sommer zu neuem Leben erwacht waren. An ihnen suchte Nadia Halt und zog sich hoch. Wenn ihr die Kräfte versagten, dachte sie an den Berg der wilden Götter, wo sie die drei Diamanten gefunden hatte. »Dort bin ich hochgekommen, also schaffe ich das hier auch, ist doch ein Klacks dagegen«, sagte sie zu Borobá, aber der Affe war tief unter der Jacke vergraben und streckte noch nicht einmal die Nasenspitze ins Freie.
    Es dämmerte, und noch immer fehlten etwa zweihundert Meter bis zur Bergkuppe. Erst war das Morgenlicht nur ein undeutliches Flirren, aber binnen weniger Minuten begann alles orangerot zu leuchten. Als die ersten Sonnenstrahlen über die Gipfel des Himalajamassivs fielen, glühten der Himmel und die Wolken in einer Symphonie aus Blau und Purpurrot über rosafarbenen Schneegipfeln.
    Nadia hatte keine Augen für die Schönheit der Landschaft, kletterte mit letzter Kraft weiter und weiter, bis sie endlich schwer atmend und schweißgebadet am höchsten Punkt dieses Berges stand. Das Herz wollte ihr bersten. Sie hatte sich eingebildet, von hier oben das Tal von Tunkhala ausmachen zu können, aber was sie sah, waren nur Berge, Berge und noch mehr Berge, so weit das Auge reichte. Sie war verloren. Weiter unten am Abhang tat sich irgendwas, sie glaubte Gestalten zu erkennen, die sich in verschiedene Richtungen bewegten: Die Blauen Krieger hatten ihre Flucht bemerkt. Sie ließ sich auf einen Felsen sinken und kämpfte gegen ihre Verzweiflung und die Erschöpfung. Sie musste sich ausruhen, wieder zu Atem kommen, aber hier konnte sie unmöglich bleiben, wenn sie nicht bald ein Versteck fand, würden ihre Verfolger sie kriegen.
    Borobá regte sich unter dem Anorak. Nadia öffnete den Reißverschluss, und ihr Gefährte streckte den Kopf heraus und sah sie mit seinen klugen Augen an.
    »Ich weiß nicht weiter, Borobá. Die Berge sehen alle gleich aus, und hier gibt es nirgends so etwas wie einen Weg«, sagte Nadia.
    Der Affe deutete in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
    »Ich kann dort nicht hinunter, die Blauen Krieger würden mich erwischen. Aber du, Borobá, du fällst nicht auf, in diesem Land gibt es doch überall Affen. Du kannst nach Tunkhala zurückfinden. Geh und hol Jaguar.«
    Der Affe schüttelte den Kopf, hielt sich die Ohren zu und kreischte, aber Nadia redete auf ihn ein, dass es keine Rettung für sie und die anderen gebe, wenn sie sich nicht trennten. Pemas Leben, das der anderen und auch ihr eigenes hingen von ihm ab. Er musste Hilfe holen, oder sie würden alle umkommen.
    »Ich verstecke mich hier irgendwo, bis ich ganz sicher bin, dass sie nicht mehr nach mir suchen, und dann finde ich schon irgendwie zurück ins Tal. Aber derweil musst du laufen, Borobá, so schnell du kannst. Die Sonne scheint, es ist nicht mehr so kalt, und bestimmt schaffst du es vor Einbruch der Dunkelheit in die Stadt.«
    Endlich ließ der kleine Affe sie los und flitzte den Hang hinab.
    ~
    Kate Cold hatte die beiden Fotografen Timothy Bruce und Joel González ins Landesinnere geschickt, damit sie für den International Geographic Aufnahmen von der Tier- und Pflanzenwelt machten. Die beiden würden die Arbeit allein erledigen müssen, während sie in der Hauptstadt blieb. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu, es war wie damals, als Alexander und Nadia im Amazonasdschungel plötzlich verschwunden waren. Sie hatte César Santos versichert, er brauche sich wegen der Reise ins Verbotene

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