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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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eintausendachthundert Jahren tragen es alle Könige meines Landes«, erklärte er, streifte es ab und gab es ihr, damit sie es sich aus der Nähe betrachten konnte.
    »Es ist wundervoll.«
    »Diese Korallen sind sehr alt und bei uns sehr geschätzt, denn man findet sie nur höchst selten. In Tibet gibt es sie ebenfalls. Das deutet darauf hin, dass vielleicht vor Jahrmillionen das Meer einmal bis zu den Gipfeln des Himalaja reichte.«
    »Was besagt die Inschrift?«
    »Es sind Worte Buddhas: Der Wandel muss aus eigenem Willen geschehen, nicht unter Zwang.«
    »Wie ist das gemeint?«
    »Wir alle können uns ändern, aber niemand kann uns dazu zwingen. Der Wandel vollzieht sich für gewöhnlich, wenn wir uns einer Wahrheit gegenüber sehen, die nicht in Frage gestellt werden kann, wenn also etwas geschieht, das von uns verlangt, unsere Überzeugungen neu zu überdenken.«
    »Mich wundert, dass man diese Inschrift für das Medaillon gewählt hat …«
    »Mein Land war schon immer sehr stark seiner Tradition verpflichtet. Aufgabe der Regierenden ist es, das Volk vor einem Wandel zu bewahren, der nicht in Wahrhaftigkeit gründet«, antwortete der König.
    »Aber die Welt verändert sich rasch. Ich kann nachvollziehen,dass die Studenten hier etwas von diesen Veränderungen mitbekommen wollen«, wandte sie ein.
    »Manche jungen Leute sind versessen auf den Lebensstil und die Güter des Auslands, aber nicht alles ist gut, nur weil es modern ist. Die Mehrheit meines Volkes möchte nicht so leben wie im Westen.«
    Sie waren an einen kleinen Teich gekommen und blieben stehen, um den Reigen der Karpfen in dem kristallklaren Wasser zu beobachten.
    »Für einen selbst möchte die Inschrift wohl sagen, dass jeder sich ändern kann.« Judit Kinski gab ihm das Schmuckstück wieder. »Glauben Sie, dass eine einmal geformte Persönlichkeit sich wandeln kann, Majestät? Dass etwa ein Feigling zum Helden oder ein Verbrecher zum Heiligen werden kann?«
    »Wenn ein Mensch den Wandel nicht in diesem Leben vollzieht, so muss er vielleicht wiederkehren, um es in einem neuen Leben zu tun.« Der Monarch lächelte.
    »Es heißt doch, jeder Mensch habe sein Karma«, sagte sie. »Vielleicht kann sich das Karma eines schlechten Menschen nicht ändern.«
    »Vielleicht besteht das Karma eines solchen Menschen darin, eine Wahrheit zu finden, die einen Wandel von ihm verlangt«, antwortete der König und merkte zu seinem Erstaunen, dass in Judits kastanienbraunen Augen Tränen standen.
    Sie durchquerten einen Teil des Gartens, den man von allen Pflanzen befreit hatte. Hier war ein schlichtes Karree aus Sand und Steinen entstanden, in das ein greiser Mönch mit einem Rechen ein Muster zog. Der König erzählte Judit Kinski, das habe er sich bei einem Besuch in japanischen Zenklöstern abgeschaut. An der gegenüberliegenden Seite überquerten sie eine mit Schnitzereien verzierte Holzbrücke. Darunter plätscherte ein Bach über dicke Kiesel. Sie gelangten zu einer kleinen Pagode, in der die Teezeremonie durchgeführt wurde, und dort wurden sie von einem Mönch mit einer Verbeugung empfangen. Während Judit Kinski sich die Schuhe auszog, sagte sie:
    »Ich möchte nicht aufdringlich erscheinen, Majestät, aber ich ahne, dass das Verschwinden dieser Mädchen ein schwerer Schlag für Ihr Land ist …«
    »Vielleicht …«, antwortete der König, und sie sah zum ersten Mal eine tiefe Sorgenfalte zwischen seinen Brauen.
    »Kann man denn gar nichts tun? Mehr als das Militär auszuschicken, meine ich …«
    »Was möchten Sie damit sagen, Frau Kinski?«
    »Bitte, Majestät, nennen Sie mich doch Judit.«
    »Judit ist ein schöner Name. Leider werde ich nie mit meinem Namen angesprochen. Ich fürchte, das Protokoll lässt es nicht zu.«
    »In einer so schwierigen Lage könnte der Goldene Drache möglicherweise eine große Hilfe sein, sollte er tatsächlich solche magischen Fähigkeiten besitzen«, nahm Judit Kinski ihren Faden wieder auf.
    »Der Goldene Drache wird nur befragt, wenn das Wohlergehen und die Sicherheit des Königreichs auf dem Spiel stehen, Judit.«
    »Verzeihen Sie, wenn ich mich zu weit vorwage, Majestät, aber vielleicht ist dies hier der Fall. Wenn Bewohner dieses Landes verschwinden, bedeutet das doch, dass ihr Wohlergehen und ihre Sicherheit bereits verspielt sind …«
    »Möglicherweise haben Sie Recht«, sagte der König mit gesenktem Blick.
    Sie betraten die Pagode und setzten sich dem Mönch gegenüber auf den Boden. In dem runden Raum mit

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