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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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den Holzwänden herrschte ein sanftes Dämmerlicht, das von einigen glühenden Holzscheiten ausging, über denen in einem alten Eisentopf Wasser kochte. Wortlos und in Gedanken versunken saßen sie da, während der Mönch bedächtig jeden Schritt der langen Zeremonie durchlief, die letztlich darin bestand, bitteren grünen Tee in zwei Tonschalen zu servieren.

ZEHNTES KAPITEL
Der weiße Adler
    Wie üblich setzte sich der Spezialist mit seinem Kunden durch einen Mittelsmann in Verbindung. Diesmal hatte er einen Japaner geschickt, der um ein Interview mit dem zweitreichsten Mann der Welt nachsuchte, weil er mit ihm Geschäftsstrategien an den Goldmärkten Asiens diskutieren wollte.
    An diesem Tag hatte der Sammler von einem Spion im Pentagon den Zugangscode zu den Militärdateien höchster Sicherheitsstufe gekauft. Die militärischen Daten der amerikanischen Regierung konnte er für seine Waffengeschäfte gut gebrauchen. Für Anleger wie ihn war es wichtig, dass es blutige Konflikte auf der Welt gab; von einem allgemeinen Frieden hatte er nichts. Er hatte errechnet, welcher Prozentsatz der Weltbevölkerung sich im Krieg befinden musste, damit das Geschäft mit den Waffen optimal lief. Lag die Zahl darunter, verlor er Geld, lag sie darüber, wurde die Börse unruhig und das Risiko zu groß. Ein Glück für ihn, dass es so leicht war, Kriege anzuzetteln, auch wenn man dann später zuweilen Probleme hatte, sie wieder zu beenden.
    Als seine Sekretärin ihm mitteilte, ein unbekannter Herr ersuche ihn dringend um ein Gespräch, wusste er sofort, dass das nur der Mittelsmann des Spezialisten sein konnte. Zwei Wörter hatten ihm auf die Sprünge geholfen: Gold und Asien. Schon seit Tagen fieberte er diesem Besuch entgegen, und jetzt empfing er den Mann unverzüglich. Der Japaner wandte sich in geschliffenem Englisch an den Kunden. Dem fielen allerdings weder die tadellosen Umgangsformen noch der elegante Anzug seines Gegenübers auf, denn für solche Feinheiten hatte er keinerlei Gespür.
    »Der Spezialist hat herausgefunden, dass es nur zwei Personen gibt, die über die Funktionsweise der Statue, für die Sie sich interessieren, Bescheid wissen: der König und der Thronfolger, ein junger Mann, der seit seinem fünften oder sechsten Lebensjahr von niemandem mehr gesehen wurde«, teilte ihm der Japaner mit.
    »Wieso das denn?«
    »Er wird an einem geheimen Ort ausgebildet. Alle Monarchen des Verbotenen Reichs durchlaufen eine solche Ausbildung in ihrer Kindheit und Jugend. Die Eltern übergeben das Kind einem Lama, und der bereitet es auf sein Leben als König vor. Unter anderem lernt der Prinz, die Botschaften des Goldenen Drachen zu entschlüsseln.«
    »Aber dann kennt dieses Lama oder wie das heißt den Code doch ebenfalls.«
    »Nein. Der Lama fungiert nur als Mentor, als Begleiter. Außer dem König und seinem Erben kennt niemand den gesamten Code. Er setzt sich aus vier Teilen zusammen, die in vier verschiedenen Klöstern verwahrt werden. In einer Rundreise, die insgesamt zwölf Jahre dauert, besucht der Mentor mit dem Prinzen jedes dieser Klöster, bis der den vollständigen Code gelernt hat«, erklärte der Mittelsmann.
    »Wie alt ist der Prinz jetzt?«
    »Um die achtzehn. Seine Ausbildung ist fast abgeschlossen, aber wir wissen nicht genau, ob er die Botschaften bereits entschlüsseln kann.«
    »Und wo hält sich dieser Prinz zurzeit auf?« Der Sammler wurde langsam ungeduldig.
    »Wahrscheinlich in einer verborgenen Einsiedelei im Himalaja.«
    »Worauf warten Sie dann noch? Schaffen Sie ihn her.«
    »Das ist nicht so einfach. Wie ich Ihnen bereits sagte, ist sein genauer Aufenthaltsort unbekannt, und man kann nicht sicher sein, dass er über alle Informationen verfügt, die Sie brauchen.«
    »Dann finden Sie es heraus, Herrgott noch mal, dafür bezahle ich Sie schließlich! Und wenn Sie ihn nicht auftreiben können, bestechen Sie den König.«
    »Bitte?«
    »Diese Hampelmänner in ihren billigen Königreichen sind doch allesamt käuflich. Bieten Sie ihm, was er will: Geld, Frauen, Autos, was auch immer.«
    »Nichts von dem, was Sie ihm anzubieten haben, wird den König interessieren. Materieller Besitz ist ihm einerlei«, entgegnete der Japaner, ohne seine Geringschätzung für den Kunden zu verhehlen.
    »Und wie ist es mit Macht? Atomwaffen, beispielsweise?«
    »Nichts zu machen.«
    »Dann entführen Sie ihn, foltern sie ihn, tun Sie das Nötige, damit er plaudert!«
    »In seinem Fall wird Folter nicht zum Ziel

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