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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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waren ihr die Knie wieder weich geworden, als sie ein Stück vor der Höhle eine Steilwand hinuntergelinst hatte.
    »Jaguar!« Sie lief an den anderen vorbei auf Alex zu.
    Der konnte sich gerade noch rechtzeitig bremsen: Fast wäre er ihr um den Hals gefallen, und die anderen sollten bloß nicht denken, sie hätten was miteinander oder so.
    »Wie war’s?« Nadia hüpfte vor ihm herum.
    »Unspannend …«, sagte er mit einem gespielten Achselzucken.
    »Wie habt ihr sie denn befreit?«
    »Nichts leichter als das: Wir haben die Skorpionkrieger entwaffnet, ihnen eins übergebraten, die Höhle ausgeräuchert, einen gefoltert, bis er gesagt hat, was er wusste, und sie dann ohne Wasser und Essen gefesselt dort sitzen gelassen, damit sie langsam draufgehen.«
    Nadia starrte ihn mit großen Augen an, aber dann zog Pema sie weg und schloss sie in die Arme. Die beiden erzählten sich hastig, was sich seit Nadias Flucht zugetragen hatte.
    »Weißt du etwas über diesen Mönch?«, flüsterte Pema Nadia ins Ohr und nickte dabei unauffällig in Dil Bahadurs Richtung.
    »Fast nichts.«
    »Wie heißt er?«
    »Dil Bahadur.«
    »Das bedeutet tapferes Herz, der Name passt jedenfalls. Möglich, dass ich ihn heirate.«
    »Aber du kennst ihn doch kaum! Und er hat dich schon gefragt, ob du ihn heiratest?«
    »Nein, eigentlich heiraten Mönche nicht. Aber ich selbst könnte ihn ja bei Gelegenheit fragen.« Pema sagte das, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt.

FÜNFZEHNTES KAPITEL
Die Steilwand
    Tensing schlug vor, erst etwas zu essen, ehe sie darüber sprachen, wie die Mädchen ins Tal gebracht werden konnten. Mit einem prüfenden Blick auf ihre spärlichen Vorräte an Gerstenmehl und Yakbutter, die nie und nimmer für alle reichen würden, bot Dil Bahadur seinen Anteil Pema und ihren Gefährtinnen an, die schon ziemlich lange nichts mehr gegessen hatten. Tensing bat ihn, ein Feuer zu entfachen und die Näpfe mit Wasser und Fett darauf zu stellen. Kaum hatte das Wasser zu sieden begonnen, da kramte der Lama zwischen den Falten seines Umhangs und zauberte unter den staunenden Blicken der Umstehenden, hokuspokus, händeweise Getreidemehl, Knoblauch, getrocknetes Gemüse und Reis aus seinem Proviantbeutel.
    »Wie Jesus bei dem Wunder mit der Brotvermehrung.« Alex war baff.
    »Mein Meister kann wirklich Wunder vollbringen. Das ist nicht sein erstes.« Der Prinz verbeugte sich tief vor dem Lama.
    »Vielleicht kann dein Meister weniger Wunder vollbringen als vielmehr vorausplanen, Dil Bahadur. In der Banditenhöhle gab es Vorräte im Überfluss, die durfte man doch nicht verkommen lassen«, antwortete der Lama und verneigte sich ebenfalls.
    »Mein Meister hat sie gestohlen?«
    »Sagen wir, dein Meister hat sie ausgeliehen …«
    Er warf einen so zufriedenen Blick in die Runde, dass alle lachen mussten. Es war wie ein Dammbruch, durch den sich die Anspannung und Angst der letzten Tage in sprudelndem Gelächter auflöste. Sie lachten sich gegenseitig in Fahrt, und bald kugelten sich alle auf dem Boden und hielten sich die Bäuche, während der Lama milde lächelnd die erste Portion Eintopf servierte und zwei Schalen Tee herumreichte.
    Sie rangen nach Atem, prusteten aber mit jedem Nachschlag, den Tensing in die Runde gab, erneut los.
    »Vielleicht wollt ihr, wenn ihr euch wieder etwas beruhigt habt, meinen Plan hören …«, sagte Tensing geduldig.
    Sie hörten ihn, und das Lachen verging ihnen auf der Stelle. Der Lama schlug allen Ernstes vor, die Mädchen über die Steilwand ins Tal zu bringen. Er führte sie bis zum Rand, und alle zuckten zurück: Es ging senkrecht nach unten.
    »Meister, noch nie ist jemand dort hinuntergeklettert«, sagte Dil Bahadur.
    »Dann ist es vielleicht an der Zeit, dass jemand den Anfang macht«, antwortete Tensing.
    Den Mädchen stand die nackte Angst ins Gesicht geschrieben, nur Pema ließ sich nichts anmerken, und auch Nadia war die Ruhe selbst, denn für sie stand auf der Stelle fest, dass sie lieber in den Klauen der Skorpionkrieger enden oder in der Eiseskälte hier oben erfrieren würde, als über diese Wand abzusteigen. Tensing sagte, das sei der kürzeste Weg ins Tal. Hier oben säßen sie ansonsten in der Falle, wenn sie nicht den übrigen Skorpionkriegern in die Arme laufen wollten. Die Mädchen müssten so schnell wie möglich nach Hause, und General Myar Kunglung brauche Nachricht, damit er dem König zu Hilfe eilen konnte, ehe der umgebracht wurde. Tensing selbst wollte mit Dil

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