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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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heil überstand, verlaufen oder es könne ihr was auch immer zustoßen. Es gab Tiger in der Gegend, und die Skorpionsekte ließ ihm keine Ruhe.
    »Es ist sehr gefährlich«, sagte er.
    »Vielleicht möchte mein Schüler die Mädchen begleiten?« Tensing sah ihn lächelnd an.
    »Nein, Meister, ich muss mit Euch zusammen dem König zu Hilfe kommen.« Beschämt schlug der Prinz die Augen nieder.
    Der Lama nahm ihn beiseite:
    »Hab Vertrauen zu ihr. Ihr Herz ist so tapfer wie deines, Dil Bahadur. Falls es euer Karma ist, zusammen zu sein, wird es sich sowieso erfüllen. Und falls es das nicht ist, wird nichts, was du tust, den Lauf der Dinge verändern.«
    »Ich habe nicht gesagt, dass ich mit ihr zusammen sein will, Meister!«
    »Vielleicht brauchst du das nicht zu sagen.«
    Alex beschloss, ehe es dunkel wurde, den Weg für den nächsten Morgen vorzubereiten. Vor allem musste er überprüfen, ob die beiden fünfzig Meter langen Seile für den Abstieg ausreichten. Eine halbe Stunde lang erklärte er den anderen die Grundlagen des Abseilens, zeigte ihnen den Sitzgurt und die Handgriffe, mit denen man Seil nachgab und bremste. Das zweite Seil würde als Sicherung dienen. Er selbst brauchte es nicht, aber für die Mädchen würde es unerlässlich sein.
    »Ich steige jetzt bis zu dem Vorsprung dort unten ab und messe dann bis zum Fuß der Wand«, sagte Alex, nachdem er das Seil fixiert und den Sitzgurt umgelegt hatte.
    Alle sahen ihm gespannt zu, außer Nadia, die sich nicht bis an den Rand der Felswand herantraute. Tensing, der sein Leben lang wie eine Bergziege durch den Himalaja gekraxelt war, betrachtete sich wohlwollend Alexanders Ausrüstung. Er befühlte das leichte, stabile Seil, besah sich die Metallhaken, die Sicherheitsschlingen und den Sitzgurt. Alex stand mit dem Rücken zum Abgrund, winkte ihnen kurz zum Abschied und ließ sich im Sitzgurt über den Rand gleiten. Mit den Füßen hielt er Abstand vom Fels, während er mit der Hand Seil nachgab, so dass er ohne sichtbare Mühe jeweils drei bis fünf Meter nach unten rutschte. Im Handumdrehen hatte er den Felsvorsprung erreicht. Von oben sah er winzig aus. Alex verbrachte etwa eine halbe Stunde dort unten und maß mit dem zweiten Seil, das er am Gurt mitgenommen hatten, den Abstand bis zum Fuß der Wand. Dann half ihm Dil Bahadur beim Aufstieg, und er kletterte, mit wesentlich mehr Krafteinsatz als beim Abseilen zwar, aber ohne größere Schwierigkeiten zu ihnen hinauf. Oben angekommen, wurde er beklatscht und bejubelt.
    »Es geht, Meister Tensing, der Absatz ist breit genug und sicher, wir passen zu sechst drauf. Das Seil reicht auch, und die Mädchenhaben, glaube ich, alle gesehen, wie sie den Sitzgurt und den Abseilachter benutzen müssen. Aber da ist noch was«, sagte Alex.
    »Was?«
    »Dort unten brauche ich zwei Seile, weil ich die Mädchen beim Abstieg sichern muss. Ein Seil bedienen sie über den Abseilachter selbst, und das zweite wird über eine Sicherung im Fels geführt, die ich schon angebracht habe; das erlaubt mir, die Mädchen Stück für Stück abzulassen. Es ist unbedingt erforderlich, falls sie die Kontrolle verlieren oder sonst irgendetwas schief geht. Sie haben das noch nie vorher gemacht, also brauchen sie auf jeden Fall das zweite Seil.«
    »Schon, aber wir haben doch zwei Seile, wo liegt also das Problem?«
    »Wir nehmen die zwei Seile, um bis auf den Absatz zu kommen. Dann macht ihr oben beide los, ich befestige sie unten und helfe den Mädchen bis zum Fuß der Wand. Aber was mache ich, wenn beide Seile unten sind? Ohne Hilfe komme ich nicht wieder nach oben. Ein erfahrener Bergsteiger würde Stunden brauchen, und ich glaube nicht, dass ich es überhaupt schaffen würde. Das heißt, wir brauchen ein drittes Seil«, erklärte Alex.
    »Oder wenigstens eine Schnur, mit der wir ein Seil von dem Vorsprung aus nach oben ziehen können«, sagte Dil Bahadur.
    »Genau.«
    Sie besaßen keine fünfzig Meter lange Schnur. Als erstes kam ihnen natürlich in den Sinn, dünne Streifen von ihren Kleidern abzureißen, aber sie konnten in der Eiseskälte hier oben ja unmöglich halb nackt herumlaufen. Die Mädchen trugen sowieso nur die Seidensarongs und kurzen Jäckchen. Tensing dachte an ihre Schnüre aus Yakhaar, aber bis zur Einsiedelei war es zu weit.
    Mittlerweile war die Sonne hinter dem Kamm verschwunden, und der Himmel färbte sich Indigoblau.
    »Es ist schon spät. Vielleicht sollten wir uns ein Lager bereiten, um eine halbwegs geruhsame Nacht zu

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