Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
geredet wurde, weil sich in seinem Kopf Bilder formten. Bisher hatte er sich mit den beiden Mönchen auf diese Weise recht gut verständigen können, und jetzt war ja auch Pema da zum Übersetzen.
    »Frag ihn, ob der Amerikaner sich Tex Gürteltier nennt«, bat er Pema.
    Aber das war nicht herauszufinden, denn die Skorpionkrieger kannten ihn nur als »der Amerikaner« und die Gefangenen hatten ihn nie zu Gesicht bekommen.
    Tensing löste den Mann aus der Hypnose und sagte dann, sie würden die Gefangenen gut verschnürt hier lassen. Es könne ihnen nicht schaden, wenn sie ein oder zwei Nächte im Freien verbrachten, bis sie von den Soldaten des Königs oder, falls sie Glück hätten, von ihren eigenen Leute gefunden würden. Er faltete die Hände vor dem Gesicht und entschuldigte sich mit einer leichten Verbeugung bei den Gefesselten für die Unannehmlichkeiten. Dil Bahadur tat es ihm nach.
    »Ich werde dafür beten, dass jemand euch vor den Schwarzbären, Schneeleoparden oder Tigern findet«, sagte Tensing ernst.
    Alex bekam vor Staunen den Mund nicht mehr zu. Wären sie selbst die Besiegten gewesen, hätten diese Männer sie vermutlich recht unhöflich um die Ecke gebracht.
    »Wir sollten vielleicht zum Kloster aufbrechen«, meldete sich der Prinz.
    »Was ist mit den anderen?« Alex deutete auf Pema und ihre Gefährtinnen.
    »Möglich, dass ich den Weg ins Tal finden und den Truppen des Königs Bescheid geben kann, damit auch sie zum Kloster aufbrechen«, bot Pema an.
    »Ich glaube nicht, dass ihr den gleichen Weg wie dieSkorpionkrieger nehmen könnt, denn bestimmt wird er weiter bewacht. Aber es gibt eine Abkürzung«, sagte Tensing.
    »Ihr denkt doch nicht etwa an die Steilwand …«, sagte der Prinz leise.
    »Die wäre vielleicht gar keine so schlechte Idee, Dil Bahadur.« Der Lama lächelte.
    »Mein ehrwürdiger Meister ist immer für einen Scherz gut, oder?«
    Das Lächeln des Lamas wurde breiter, bis sein ganzes Gesicht strahlte, und mit einer Geste forderte er alle auf, ihm zu folgen. Sie nahmen den Weg, den sie gekommen waren, zurück zu Nadia. Tensing half den vier Mädchen, die mit ihren Sandalen und Sarongs alle Mühe hatten, den steilen Hang hinaufzukommen, sich aber mit keiner Silbe beklagten. Sie waren überglücklich, dass sie den Blauen Kriegern entkommen waren, und dieser riesenhafte Mönch flößte ihnen grenzenloses Vertrauen ein.
    Alex, der hinter dem Prinzen und Pema die Reihe schloss, warf einen letzten Blick zurück auf das lächerliche verschnürte Banditenpack. Er konnte es kaum fassen, dass er bei einem Kampf gegen diese Mörderbande dabei gewesen war; so was passierte doch bloß in Actionfilmen. Er dachte an Kate. Schon bei seiner letzten Reise mit ihr war er ja in einen Strudel gewalttätiger Ereignisse geraten: Ferien mit dieser Großmutter waren definitiv nichts für schwache Nerven.
    ~
    Nadia sah ihre Freunde im Gänsemarsch auf ihr Versteck zukommen und stürzte ihnen entgegen, blieb jedoch wie angewurzelt stehen, als sie einen der Blauen Krieger in der Gruppe entdeckte. Erst auf den zweiten Blick erkannte sie Dil Bahadur. Eigentlich hatten sie gar nicht so lange gebraucht, wie Nadia erwartet hätte, aber in den paar Stunden war sie dennoch vor Ungeduld fast verrückt geworden. Immer wieder hatte sie den weißen Adler gerufen, weil sie hoffte, sie könne aus der Luft beobachten, was sich dort unten abspielte, aber ihr Totemtier war nicht erschienen, und so hatte sie mit einem Kloß im Hals untätig herumgesessen. Sie musstesich wohl damit abfinden, dass sie sich nicht beliebig in den Adler verwandeln konnte, sondern es nur geschah, wenn sie in großer Gefahr schwebte oder ihr Geist irgendwie dafür empfänglich war. Dann war es, als würde sie in Trance fallen. Die Indianer hatten ihr erklärt, das Totemtier stelle ihre Seele dar, ihr Wesen. Als sie sich am Amazonas zum ersten Mal in den Adler verwandelte, wunderte sie sich, dass ihr Totemtier ausgerechnet ein Vogel war, weil sie nicht schwindelfrei war und lähmende Höhenangst hatte. Dass es Leute gab, die vom Fliegen träumten, hatte sie noch nie verstanden. Hätte sie raten sollen, welches Tier ihrem Wesen entsprach, hätte sie wahrscheinlich auf den Delfin getippt, weil sie sich mit dem irgendwie verbunden fühlte. Nachdem sie gemerkt hatte, wie mühelos sie als Adler über die höchsten Berge segeln konnte, war es mit ihrer Höhenangst viel besser geworden, aber sie hatte sie noch immer nicht ganz überwunden. Gerade vorhin

Weitere Kostenlose Bücher