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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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auch Nadia und Alex klar machte, was er vorschlug:
    »Wenn du mir einige deiner Kämpfer zur Verfügung stellst, verspreche ich, ins Tal der Yetis zurückzukehren und sechs Jahre hier zu bleiben. In aller Bescheidenheit biete ich dir an, deinen Platz einzunehmen, ehrwürdige Grr-ympr, so dass du in Frieden in die Welt der Geister gehen kannst. Ich werde für dein Volk sorgen, die Yetis sollen ein gutes Leben führen, sie werden sich nicht gegenseitig umbringen und die Segnungen ihres Tals zu nutzen lernen. Ich werde den geeignetsten Yeti ausbilden, damit er oder sie nach sechs Jahren die Horde anführen kann. Das ist mein Angebot …«
    Kreidebleich im Gesicht war Dil Bahadur aufgesprungen und wollte eben den Mund aufmachen, aber der Lama gebot ihm durch eine Geste zu schweigen: Er durfte jetzt den Gedankenfluss mit der Alten nicht unterbrechen. Grr-ympr brauchte ein bisschen, ehe sie das Angebot des Mönchs begriff.
    »Ja«, antwortete sie schließlich, und die Erleichterung war ihr anzumerken: Endlich war sie frei zu sterben.
    ~
    Die Unterhaltung mit Grr-ympr war kaum beendet, da redete Dil Bahadur völlig aufgelöst auf seinen Meister ein. Wie hatte er der Alten nur ein solches Angebot unterbreiten können? Das Reich des Goldenen Drachen brauchte ihn doch viel nötiger als die Yetis; die Ausbildung war noch gar nicht abgeschlossen, sein Meister konnte ihn doch jetzt nicht einfach im Stich lassen.
    »Möglicherweise wirst du früher als gedacht König, Dil Bahadur. Sechs Jahre gehen schnell vorüber. In dieser Zeit kann ich vielleicht den Yetis ein bisschen helfen.«
    »Und was wird aus mir?« Der Prinz konnte sich ein Leben ohne Tensing überhaupt nicht vorstellen.
    »Vielleicht bist du stärker und besser auf deine Aufgabe vorbereitet, als du glaubst … Nach Ablauf der sechs Jahre werde ich das Tal der Yetis verlassen, um deinen Sohn auszubilden, den zukünftigen König des Verbotenen Reichs.«
    »Was für einen Sohn, Meister? Ich habe keinen Sohn.«
    »Du wirst einen haben, mit Pema«, sagte Tensing seelenruhig, und der Prinz wurde rot bis über beide Ohren.
    Alex verstand zwar nur einzelne Wörter von dem, was die beiden redeten, aber Nadia übersetzte ihm, was Tensing über die Zukunft von Dil Bahadur und Pema gesagt hatte. Noch vor einem Jahr hätte er solche Voraussagen vermutlich für einen schlechten Scherz gehalten, aber inzwischen hatten sich so viele merkwürdige Dinge ereignet, dass er fast alles für möglich hielt, und diesem Lama traute er sowieso einiges zu. Ob es die Yetis allerdings retten würde, wenn Tensing sechs Jahre bei ihnen verbrachte, daran hatte Alex seine Zweifel.
    Er erzählte Nadia von einer Reportage, die seine Großmutter für den International Geographic über eine vom Aussterben bedrohte Pumaart in Florida gemacht hatte. Dil Bahadur hatte in den paar Tagen schon einiges Englisch gelernt, und wenn er etwas nicht verstand, fragte er Nadia, während Tensing fast nie Worte brauchte, um zu erfassen, was jemand mitteilen wollte. Alex erzählte ihnen von diesen Raubkatzen, die in einem kleinen, unzugänglichen Gebiet lebten und sich nur untereinander fortpflanzten, wodurch sie über die Jahre immer weniger gesunden Nachwuchs zur Welt brachten. Sie waren zu wenige und einander zu ähnlich, um dauerhaft zu überleben. Eine bunte Mischung ist wie eine Art Lebensversicherung, sagte er.
    »Was ist denn mit den Pumas passiert?«, wollte Nadia wissen.
    »Man hat eine Pumaart gesucht, die für die Bedingungen in Florida gut geeignet schien, und hat einige Tiere dort angesiedelt. Sie haben sich mit den anderen gemischt, und in weniger als zehn Jahren hatte sich der Bestand erholt.«
    »Du meinst, den Yetis könnte es genauso gehen wie den Pumas?«, fragte Dil Bahadur nach.
    »Ja. Sie leben hier doch völlig isoliert, und es sind ziemlich wenige.«
    Tensing dachte darüber nach, was Alexander gesagt hatte. Auf die Idee, dass die Yetis vielleicht auch deshalb immer kleiner und schwächer geworden waren, weil es nur noch so wenige von ihnen gab, war er noch nicht gekommen. Aber selbst wenn die Yetis ihrTal verließen, mit wem sollten sie sich mischen, bestimmt waren sie die Einzigen ihrer Art auf der Welt, und ein Mensch würde doch niemals mit einem Yeti eine Familie gründen. Aber über kurz oder lang würde sich ein Kontakt zur Außenwelt wohl nicht vermeiden lassen. Nur würde man dabei sehr behutsam vorgehen müssen, denn die Begegnung mit den Menschen konnte für die Yetis das Aus bedeuten.

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