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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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war und warum sie die Frau mitnehmen sollten, hatte er allerdings nicht erklärt.
    Ein gestohlener Pick-up des Palastes war hinter der Gartenmauer geparkt, wo auch die Pferde der Skorpionkrieger standen. Judit Kinski wirkte ziemlich gefasst, aber Tex Gürteltier vermied es, ihr ins Gesicht zu sehen, und befahl, sie zusammen mit dem König und der Statue auf die Ladefläche des Wagens zu verfrachten und die Plane darüber zu spannen. Dann setzte er sich ans Steuer, denn außer ihm konnte sowieso keiner fahren, und auf die Beifahrerseite zwängten sich der Anführer der Blauen Krieger und einer von dessen Männern. Während der Pick-up auf die schmale Straße in Richtung Berge abbog, zerstreute sich der Rest der Gruppe. Später würden sie an einem vom Spezialisten ausgewählten Treffpunkt im Tigerwald erneut zueinander stoßen, um gemeinsam zum Chenthan Dzong aufzubrechen.
    Wie erwartet, wurden sie kurz hinter Tunkhala an einer Straßensperre gestoppt. Für Tex Gürteltier und seine beiden Beifahrer war es ein Kinderspiel, die drei Soldaten, die General Myar Kunglung an der Sperre postiert hatte, auszuschalten und sich ihrer Uniformen zu bemächtigen. Der Pick-up trug das Emblem des Hofes, und an den beiden anderen Kontrollpunkten auf ihrem Weg zum Tigerwald winkte man sie durch.
    Vor langer Zeit war das riesige Waldgebiet einmal das Jagdrevier der Könige gewesen, aber diesen blutigen Sport übte schon seit Jahrhunderten niemand mehr aus. Der Wald wurde in Ruhe gelassen und bot den seltensten Pflanzen- und Tierarten des Verbotenen Reichs ein Zuhause. Im Frühling brachten die Tigerweibchen hier ihre Jungen zur Welt. Jedem Naturliebhaber wären inmitten dieser subtropischen Üppigkeit die Augen übergegangen. Tex und die Skorpionkrieger zeigten sich von den dicken Baumriesen, den glasklaren Bächen, den Orchideen und Rhododendronbüschen und von den Schwärmen bunter Vögel allerdings unbeeindruckt: Sie wollten bloß keine Tiger aufscheuchen und schleunigst von hier verschwinden.
    Am Treffpunkt hielt der Amerikaner an, zog die Plane von der Ladefläche und befreite Judit Kinski von ihren Fesseln.
    »Was soll das!« Der Anführer der Skorpionkrieger blitzte ihn böse an.
    »Nur die Ruhe, sie kann ja doch nicht abhauen. Wo soll sie denn hin?«, sagte Tex Gürteltier.
    Judit Kinski rieb sich wortlos die Handgelenke und Knöchel, wo die Fesseln rote Striemen hinterlassen hatten. Sie sah sich um, ließ ihre Entführer nicht aus den Augen, blieb jedoch mit dem Blick immer wieder an Tex Gürteltier hängen, der ihm weiter auswich. Ohne um Erlaubnis zu fragen, beugte sich Judit über den König und zog vorsichtig das Klebeband von seinen Lippen. Dann legte sie ihm ein Ohr an die Brust.
    »Die Wirkung der Spritze lässt bald nach«, sagte Tex Gürteltier.
    »Sein Herz ist schwach, gebt ihm nicht mehr!« Es klang nicht wie eine Bitte, sondern wie ein Befehl, und Judit sah den Amerikaner dabei scharf an.
    »Brauchen wir auch nicht. Außerdem muss er reiten, also sollte er besser schleunigst wach werden.« Tex Gürteltier wandte ihr den Rücken zu.
    Honiggolden brachen die ersten Sonnenstrahlen durch das dichte Blätterdach und wurden von den Affen und Vögeln in den Bäumen mit lautem Gekreische begrüßt. Vom Boden stieg Morgennebel auf, und die Wipfel der Baumriesen verschwammen in gleißendem Dunst. Zwei Pandabären turnten in den Ästen über ihren Köpfen herum. Sobald es hell genug war, fotografierte Tex Gürteltier mit einer Polaroidkamera den Goldenen Drachen von allen Seiten und gab dann Anweisung, ihn für den Transport in die Plane des Pick-ups zu hüllen und mit Seilen gut zu verschnüren.
    Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als endlich auch der letzte Skorpionkrieger den Treffpunkt erreicht hatte. Sie mussten den Wagen aufgeben und zu Pferd weiter, auf Bergpfaden, die keiner mehr benutzte, seit ein Erdbeben das Gesicht der ganzen Region verändert hatte und man das Kloster, wie etliche andere dort oben, aufgeben musste. Außer den Skorpionkriegern, die mit ihren Pferden wie verwachsen schienen und sie zu unglaublichen Kletterleistungen brachten, war sicher kein Mensch fähig,überhaupt bis dorthin zu gelangen. Die Skorpionkrieger kannten den Himalaja in- und auswendig und würden, hätte man ihnen erst einmal ihr Geld ausbezahlt und ihnen gesagt, wo sie die Waffen abholen konnten, vom Kloster aus in einigen Tagesritten den Norden Indiens erreichen. Tex Gürteltier wiederum zählte auf den Hubschrauber, der ihn in

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