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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Aber wenn man ihr Überleben überhaupt sichern konnte, dann noch am ehesten im Verbotenen Reich.
    Die nächsten Stunden vergingen mit Essen und einem kurzen Nachmittagsschlaf, eine Wohltat für die müden Knochen. Kaum hatten sie begriffen, dass ein handfester Streit auf sie wartete, wollten alle Yetikämpfer unbedingt mitkommen, aber Grr-ympr erlaubte es nicht, weil das Dorf nicht ohne Männer bleiben durfte. Tensing scharte die Kämpfer um sich und machte ihnen klar, dass es um Leben und Tod gehen würde, dass sie gegen eine Horde wilder Menschen kämpfen würden, die Blaue Krieger genannt wurden, sehr stark waren und außerdem Dolche und Gewehre besaßen. Die Yetis hatten keine Ahnung, was das für Dinger waren, und Tensing malte ihnen in blühendsten Farben die Wunden aus, die diese Waffen rissen, beschrieb ihnen Ströme von Blut und versengtes Fleisch, um sie richtig in Stimmung zu bringen. Jetzt wollte endgültig keiner mehr im Tal zurückbleiben: Ein solches Vergnügen durfte man sich doch nicht durch die Lappen gehen lassen. Jeder versuchte, beim Lama möglichst viel Eindruck zu schinden, sprang kreischend und zähnefletschend vor ihm herum und ließ die Muskeln spielen. So konnte sich Tensing die übelsten zehn Yetis mit der blutigsten Aura aussuchen.
    Der Lama inspizierte den ledernen Brustschutz seiner Kämpfer, der eine Klinge vielleicht abhalten würde, eine Kugel aber sicher nicht. Diese zehn Zottelwesen mit dem schneckenlahmen Verstand würden, wie wild sie auch taten, gegen die Waffen der Skorpionkrieger wenig ausrichten können, aber der Lama hoffte auf den Überraschungseffekt. Die Blauen Krieger waren abergläubisch, und selbst wenn sie schon einmal etwas über den Schneemenschen gehört hatten, gesehen hatten sie ganz bestimmt nie einen.
    Auf Grr-ymprs Geheiß hatte die Horde zu Ehren der Besuchereinige Chegnos geschlachtet. Dil Bahadur und Tensing widerstrebte dieses Opfer zutiefst, aber sie zwangen sich dennoch dazu, das Blut der Tiere aufzufangen und die Zotteln der ausgewählten Kämpfer damit einzufärben. Die gehörnten Schädel und einige große Knochen banden sie mit Streifen der Chegnohaut zu widerwärtig blutigen Helmen zusammen, die sich die Kämpfer unter den bewundernden Blicken der Yetifrauen und Kinder begeistert über den Kopf stülpten. Meister und Schüler besahen sich zufrieden ihr Werk: In dem Aufzug würden die Yetis noch dem Hartgesottensten einen Mordsschrecken einjagen.
    Tensing, Dil Bahadur und Alex versuchten Nadia davon zu überzeugen, dass sie besser im Tal der Yetis blieb, aber damit bissen sie bei ihr auf Granit. Alex hatte große Angst um sie:
    »Es ist zu gefährlich, Aguila. Dieser Kampf kann uns alle das Leben kosten …«
    »Und in dem Fall hocke ich dann bis ans Ende meiner Tage hier bei den Yetis. Nein, danke. Ich komme mit.«
    »Aber hier wärst du wenigstens einigermaßen sicher. Keiner weiß doch, was uns in diesem verlassenen Kloster erwartet, aber ein Spaziergang wird das bestimmt nicht.«
    »Hör auf, mich wie ein Kleinkind zu behandeln. Ich kann allein auf mich aufpassen, ich bin schon dreizehn, und außerdem kann ich, glaube ich, nützlich sein.«
    »Okay, aber du tust, was ich sage.«
    »Nicht im Traum. Ich tue, was ich für richtig halte. Seit wann hast du Ahnung vom Kämpfen, Jaguar, davon verstehst du so wenig wie ich.« Alex musste zugeben, dass sie Recht hatte.
    »Vielleicht brechen wir am besten heute Nacht auf, dann sind wir bei Sonnenaufgang auf der anderen Seite des Tunnels und noch vor Mittag im Chenthan Dzong«, schlug Dil Bahadur vor, und Tensing war einverstanden.
    Die Yetis schlugen sich die Bäuche voll, ließen sich dann, wo sie gerade saßen, nach hinten plumpsen und schnarchten kurze Zeit später, die Helme noch auf dem Kopf, denn die waren schon jetzt ein echtes Statussymbol. Nadia und Alex hatten solchen Hunger, dass sie ihre Portion gegrilltes Chegnofleisch ratzeputz aufaßen, obwohl es bitter schmeckte und noch einige versengte Haaredaran pappten. Tensing und Dil Bahadur bereiteten sich Tsampa und Tee zu und ließen sich dann zum Meditieren nieder mit Blick in den dunklen, sternenlosen Abendhimmel. Nachts, wenn es kälter wurde, legte sich der Dampf der Fontänen wie eine wattige Decke über das Tal. Die Yetis hatten die Sterne noch nie gesehen, und der Mond war für sie ein unerklärlicher blasser Lichtfleck, der dann und wann im Nebel auftauchte.

SIEBZEHNTES KAPITEL
Zur Klosterburg
    Tex Gürteltier hätte den ursprünglichen

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