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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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hatte.
    Schweigend stapften sie weiter, denn jedes Wort nahm ihnen die Puste. Die dünne Luft machte Nadia und Alex schwer zu schaffen. Sie hatten Kopfschmerzen und Schwindelanfälle, und als die Sonne sank, waren sie am Ende ihrer Kräfte. Nadias Nase begann plötzlich zu bluten, sie krümmte sich und musste sich übergeben. Tensing suchte ihnen eine geschützte Stelle für die Nacht.Während Dil Bahadur ein Feuer für die Tsampa und einen Heilkräutertee entfachte, setzte Tensing Nadia und Alexander einige Akupunkturnadeln gegen die Höhenkrankheit.
    »Ich glaube, Pema und die anderen sind in Sicherheit. Das heißt, General Myar Kunglung wird vielleicht sehr bald erfahren, dass der König in der Klosterburg ist …«, sagte Tensing.
    »Woher wisst Ihr das, ehrwürdiger Meister?«, fragte Alex.
    »Pemas Gedanken sind nicht mehr so angespannt. Ihre Schwingungen haben sich verändert.«
    »Wie gut Telepathie funktionieren kann, kriege ich ja seit ein paar Tagen mit, aber dass sie Entfernungen überbrückt wie ein Handy, hätte ich nie gedacht.«
    Der Lama lächelte freundlich. Er wusste nicht, was ein Handy ist.
    Während Tensing sich im Lotossitz ausruhte, aber wachsam blieb, weil sie hier oben im Jagdrevier der weißen Bergtiger waren, kuschelten sich die anderen drei zwischen den Felsen dicht zusammen. Die Nacht war eisig und wurde ihnen lang.
    ~
    Gegen Mittag erreichten die Wanderer den engen Einschnitt im Fels, den Eingang ins verborgene Tal der Yetis. Um diese Zeit schleppten sich Nadia und Alex nur noch mühsam voran, ihre Haut war verbrannt vom gleißenden Sonnenlicht, das der Schnee noch verstärkte, auf ihren trockenen, rissigen Lippen bildeten sich Krusten. Der Durchgang war schmal, und weiter innen stank es derart nach Schwefel, dass Nadia schon dachte, sie würden alle ersticken, aber Alex hatte bei seinem Kriechgang in die Tiefen unter der Stadt der wilden Götter Schlimmeres durchgemacht und blieb gelassen. Schließlich kraxelte dieser Kleiderschrank von Tensing, der an manchen Stellen kaum zwischen den Felsen hindurchpasste, unbeirrbar voraus, also musste es wohl einen Ausgang geben.
    Als sie endlich im Tal der Yetis ins Freie traten, glaubten Nadia und Alex ihren Augen nicht zu trauen. Mitten in den eisigen Bergen des Himalaja sollte es einen Ort geben, wo heißer Dampf aus dem Boden schoss und solche grünlila Blumen wuchsen? Undwarm war es hier! Zum ersten Mal seit Tagen konnten sie ihre Jacken ausziehen. Borobá, der die ganze Wanderung tief unter Nadias Pulli begraben gewesen war, streckte den Kopf ins Freie und gewann mit der lauen Luft schlagartig seine gute Laune wieder: Endlich war die Welt wieder so, wie sie sein sollte.
    Die hohen Dampfsäulen, die schwefligen Tümpel und der warme Nebel im Tal, die fleischigen violetten Blumen und die Herden von Chegnos, die an den harten Gräsern herumknabberten, waren die angenehme Überraschung, aber was da jetzt auf sie zustürmte, sah weniger erfreulich aus.
    In einem Veitstanz rückte eine Horde keulenschwingender, kreischender Zottelwesen an. Dil Bahadur machte seinen Bogen klar, weil ihm schwante, dass die Yetis ihn in der Tunika des Skorpionkriegers nicht wiedererkannten. Nadia und Alex, die sich die Yetis nicht so grauenerregend vorgestellt hatten, flüchteten sich instinktiv hinter Tensings breiten Rücken. Tensing wiederum ging unbeeindruckt noch einen Schritt nach vorn, faltete die Hände vorm Gesicht, verneigte sich und begrüßte die Yetis mit freundlichen Gedanken und ein paar Wörtern, die er aus ihrer Sprache kannte.
    Es dauerte ewig, bis die Erinnerung an den ersten Besuch des Lamas und seines Schülers, der ja schon einige Monate zurücklag, in die schwerfälligen Gehirne der Yetis sickerte. Richtiggehend freundlich wurden sie dann zwar auch nicht, aber wenigstens hörten sie auf, mit ihren Keulen wenige Zentimeter über den Schädeln der Besucher herumzufuchteln.
    »Wo ist Grr-ympr?«, fragte Tensing.
    Die grunzende Eskorte geleitete die vier zum Höhlendorf. Der Lama freute sich, denn anders als bei ihrem ersten Besuch waren die Kämpfer jetzt reine Energiebündel, und vor den Höhleneingängen sah er Yetifrauen und Kinder, die kerngesund wirkten. Soweit er sehen konnte, hatte keiner mehr eine verfärbte Zunge, und der weißliche Pelz, der die Yetis von Kopf bis Fuß bedeckte, war kein verfilztes, schmutzstarrendes Gestrüpp mehr. Manche der Weibchen waren nicht nur einigermaßen sauber, sondern hatten sich regelrecht frisiert, was der

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