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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Mönch, der in Sachen weibliche Koketterie nicht sehr bewandert war, mit einigem Erstaunen betrachtete.
    Die Behausungen der Yetis waren unverändert: ein Labyrinth von Höhlen unter der Lavakruste, die das Tal zu einem so außergewöhnlichen Wohnort machte. Die dünne Schicht Erde über dem Lavagestein war dank der Wärme und Feuchtigkeit des Tales fruchtbar genug, Chegnos und Yetis zu ernähren. Die Besucher wurden schnurstracks zu Grr-ympr geführt, die vor einem der Erdlöcher kauerte.
    Sie war kaum wiederzuerkennen, so alt war sie geworden. Schon beim ersten Besuch von Tensing und Dil Bahadur war sie ja eine Greisin gewesen, aber nun sah sie aus, als hätte sie Jahrtausende auf dem Buckel. Nichts von der Veränderung der anderen fand sich bei ihr wieder, sie war bloß noch ein Bündel verkrümmter Knochen, das von einer grindigen Fellschicht zusammengehalten wurde; aus Nase, Augen und Ohren lief Schleim über ihr verdorrtes Gesicht. Sie stank derart nach Schmutz und Verwesung, dass selbst Tensing, der als Arzt einiges auszuhalten gelernt hatte, beim Hinsetzen einen Sicherheitsabstand hielt. Durch Gedankenübertragung und einige Brocken der Yetisprache unterhielten sich die beiden.
    »Ich sehe, dein Volk ist gesund, ehrwürdige Grr-ympr.«
    »Das lavendelfarbene Wasser: verboten. Wer davon trinkt: Hiebe.«
    »Bei der Behandlung möchte man lieber nicht krank werden.« Tensing lächelte.
    »Krank: ist keiner.« Viel Sinn für Humor hatte die Alte offenbar nicht.
    »Freut mich sehr. Sind Kinder zur Welt gekommen?«
    Sie hielt Tensing zwei ihrer krummen Finger unter die Nase und sagte in ihrer Sprache, beide Kinder seien gesund. Der Lama konnte die Bilder in ihrem Kopf ohne Schwierigkeiten deuten.
    »Die anderen, wer sind die?«, wollte sie wissen.
    »Diesen hier kennst du, es ist Dil Bahadur, der Mönch, der die Gefahr der lavendelfarbenen Quelle entdeckt hat. Auch die anderen beiden sind Freunde und von weither gekommen, aus einer anderen Welt.«
    »Warum?«
    »Wir wollen dich mit allem Respekt bitten, dass du uns hilfst,ehrwürdige Grr-ympr. Wir brauchen deine Kämpfer, weil wir einen König aus den Klauen einer Verbrecherbande befreien müssen. Wir sind nur drei Männer und ein Mädchen, aber mit deinen Kämpfern können wir die Banditen vielleicht besiegen.«
    Die Alte verstand zwar nicht annährend die Hälfte von dem, was der Mönch sagte, aber sie begriff doch, dass er gekommen war, um eine Gegenleistung für das zu erbitten, was er früher für sie getan hatte. Er wollte ihre Kämpfer. Es würde eine Schlacht geben. Das behagte ihr gar nicht, schließlich bemühte sie sich seit Jahrzehnten, die mörderische Streitlust der Yetis im Zaum zu halten.
    »Kämpfer kämpfen: Kämpfer sterben. Dorf ohne Kämpfer: Dorf stirbt auch«, fasste sie ihre Überlegungen zusammen.
    »Es stimmt, es ist ein großer Gefallen, um den ich dich bitte, ehrwürdige Grr-ympr. Möglicherweise wird es gefährlich. Ich kann nicht versprechen, dass alle deine Kämpfer überleben.«
    »Grr-ympr stirbt.« Die Alte schlug sich gegen die Brust.
    »Ich weiß, Grr-ympr.«
    »Grr-ympr tot: viele Fragen. Du heilen Grr-ympr: du mitnehmen Kämpfer.«
    »Ich habe kein Mittel gegen das Alter, ehrwürdige Grr-ympr. Deine Zeit in dieser Welt ist vollendet, dein Körper ist müde, dein Geist möchte gehen. Daran ist nichts Schlechtes.«
    »Dann keine Kämpfer.« Das klang endgültig.
    »Warum fürchtest du den Tod, ehrwürdige Greisin?«
    »Grr-ympr: notwendig. Grr-ympr befiehlt: Yetis gehorchen. Grr-ympr tot: Yetis kämpfen. Yetis töten, Yetis sterben: Ende.«
    »Ich verstehe, du kannst nicht gehen, weil du fürchtest, dass dein Volk leidet. Kann niemand deinen Platz einnehmen?«
    Traurig schüttelte sie den Kopf. Tensing begriff, dass ihre Angst nicht von ungefähr kam, denn gesund und kräftig, wie die Yetis jetzt waren, würden sie sich nach dem Tod der Alten womöglich wieder gegenseitig umbringen, wie sie das früher getan hatten, bis endgültig keine mehr übrig waren. Seit Generationen waren diese halbmenschlichen Geschöpfe auf die Stärke und Erfahrung ihrer Anführerin angewiesen: Sie war wie eine strenge Mutter für die Horde, gerecht und weise. Ihr gehorchten die Yetis blind, weil sie an ihre übernatürlichen Fähigkeiten glaubten; ohne sie würde dieHorde jeden Halt verlieren. Der Lama schloss die Augen, und für eine Weile schienen er und die Alte allem entrückt. Dann sprach Tensing mit lauter Stimme und einem Blick in die Runde, der

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