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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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wollen.
    »Keinen Schritt weiter!«, entfuhr es dem Prinzen, der so aufgeregt war, dass er sogar seine gute Kinderstube vergaß. »Das ist der Baum des Lebens. Es heißt, es passieren schreckliche Dinge, wenn man darauftritt.«
    Der Prinz kramte seinen Essnapf zwischen den Falten seines Umhangs hervor und warf ihn auf die Baumkrone. Der Fußboden schien unter dem Gewicht der Blechschale nachzugeben, und der Napf sprang ein paar Mal in die Höhe, ehe er zum Liegen kam: Der Baum des Lebens war auf ein dünnes, straff über eine Grube gespanntes Seidentuch gemalt. Ein Schritt, und es wäre vorbei gewesen. Sie wussten nicht, dass einer der Skorpionkrieger hier sein Leben gelassen hatte. Gerade nagten die Ratten am Grund der Grube seine Knochen blank.
    »Und wie kommen wir jetzt da rüber?«, wollte Nadia wissen.
    »Vielleicht wartet ihr besser erst einmal hier.«
    Vorsichtig suchte Dil Bahadur mit dem Fuß, bis er einen schmalen Absatz an der Wand fand. Man sah ihn nicht, denn er war so schwarz wie der Hintergrund des Baumes am Boden. Den Rücken gegen die Wand gepresst, schob sich der Prinz zentimeterweise auf dem Absatz vorwärts. Mit dem rechten Fuß tastete er sich voran, dann zog er den linken nach. Schließlich erreichte er die gegenüberliegende Seite.
    Alex war klar, dass diese Prüfung für Nadia eine der härtesten sein musste, wo sie doch solche Angst vor der Höhe hatte.
    »Denk an deinen Adler. Gib mir die Hand, mach die Augen zu, und achte nur auf deine Füße«, sagte er.
    »Ich könnte doch auch einfach hier bleiben und auf euch warten.«
    »Nein. Komm, zusammen schaffen wir das.«
    Sie hatten keine Ahnung, wie tief die Grube war, und nicht den geringsten Ehrgeiz, es herauszufinden. Auch von dem Toten, der unten lag, wussten sie zum Glück nichts.
    Der Mann war ausgerutscht, und keiner seiner Kumpane hatte ihm helfen können. In seiner schwarzblauen Tunika, Arme und Beine gespreizt, hatte er für einen kurzen Moment ausgesehen wie eine große Fledermaus mit ausgebreiteten Flügeln, die von der Baumkrone aufgefangen wurde. Einen Lidschlag lang. Dann war er mit einem entsetzlichen Todesschrei in den nachtschwarzen Schlund gestürzt. Tex Gürteltier und die übrigen Skorpionkrieger hatten gehört, wie er aufschlug, und dann war es totenstill gewesen.
    Nadia schloss die Augen, umklammerte Alexanders Hand und folgte ihm Schrittchen für Schrittchen auf die andere Seite.
    ~
    Hinter der nächsten Tür landeten sie in einem Raum aus Spiegeln. Nicht nur die Wände, auch die Decke und der Boden waren verspiegelt und warfen das Bild der drei bis in die Unendlichkeit zurück. Außerdem hing der ganze Raum schief, wie mit einer leichten Neigung auf eine Ecke gestellt. Auf dem glatten Boden kamen sie aufrecht nicht voran, sie gingen auf die Knie, hielten einander fest und hatten schon nach den ersten Metern jede Orientierung verloren. Falls es Türen gab, waren die wohl auch verspiegelt, jedenfalls konnte man keine erkennen. Im Nu waren die drei völlig benommen, Schwindel überkam sie, und ihr Kopf fühlte sich an, als wollte er platzen.
    »Nicht nach links und rechts sehen, nur nach vorne«, sagte Alex. »Bleibt einfach in der Reihe. Die Richtung habe ich auf dem Bildschirm.«
    »Wie sollen wir denn hier jemals einen Ausgang finden?«, fragte Nadia gequält.
    »Möglich, dass es an den Wänden jede Menge Türen gibt, aber wenn wir die falsche öffnen, lösen wir vielleicht einen Sicherheitsmechanismus aus und sitzen hier für immer in der Falle.«
    »Dafür haben wir schließlich Spitzentechnologie«, versuchte Alex die beiden zu beruhigen, aber ihm flatterten hier drin langsam selbst die Nerven.
    Zwar konnte er an den Koordinaten ablesen, in welche Richtungsich der König gewandt hatte, aber dort, wo sie landeten, schien jeder einzelne Spiegel eine Tür zu sein. Der König hatte sich davor hin und her bewegt, ehe er sich für eine entschied. Alex spulte die Szene zurück, sah noch einmal genau hin und entdeckte, dass der Monarch sich an einer Stelle verzerrt spiegelte.
    »Einer der Spiegel ist konkav. Das ist die Tür.«
    Dil Bahadur rutschte hin und her, bis er sich in einem Spiegel mit Mondgesicht und Stummelbeinen sah, er drückte dagegen, der Spiegel gab nach, und sie konnten hinaus. Sie betraten einen langen, schmalen Korridor, der sich in einer leichten Steigung nach oben wand wie im Innern eines Schneckenhauses. Diesmal würden sie keine Schwierigkeiten haben, die richtige Tür zu finden, denn es gab nur eine

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