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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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ganz am Ende, das hatten sie auf dem Film gesehen. Es roch sonderbar, und in der Luft hing ein feines Pulver, das im Licht der kleinen Deckenlampen schimmerte wie Goldstaub. Der König war ohne Zaudern schnurstracks durch den Korridor gegangen, was allerdings noch lange nicht hieß, dass er keine Gefahren barg.
    Sie gingen los, blickten sich aber immer wieder um, weil sie nicht sicher waren, ob nicht etwas von hinten drohte, was sie nicht auf dem Video gesehen hatten. Der Boden unter ihren Füßen fühlte sich weich an. Es war, als würden sie über eine gespannte Plane laufen, die mit jedem Schritt leicht federte.
    Unvermittelt raffte Dil Bahadur seinen Umhang, zog ihn sich über Nase und Mund, beschleunigte seinen Schritt und scheuchte Alexander und Nadia mit der freien Hand vor sich her. Die Beschreibungen des Palasts hatten ihn doch gewarnt, wie hatte er das nur vergessen können: Sie liefen auf einer Art Blasebalg. Mit jedem Schritt staubte aus kleinen Löchern im Fußboden das Pulver, das sie beim Eintreten bemerkt hatten. Binnen kurzem war die Luft so voll davon, dass man die Hand kaum mehr vor Augen sah. Es kratzte fürchterlich im Hals und machte sie husten, aber sie kämpften, so gut es ging, dagegen an, weil sie beim Husten jedes Mal einen Schwall von dem Pulver einatmeten. Raus, sie mussten so schnell wie möglich hier raus. Sie rannten los, versuchten nicht zu atmen, aber dafür war der Korridor zu lang. Ein tödliches Gift, schoss es Alex durch den Kopf, aber als König musste man den Weg doch öfter zurücklegen, also konnte das nicht sein.
    Nadia war im Amazonasgebiet aufgewachsen, schwamm wie ein Fisch und konnte ziemlich lange die Luft anhalten. Länger als die anderen beiden jedenfalls, dennoch musste auch sie ein paar Mal einatmen. Die haben bestimmt noch mehr von dem Zeug abbekommen, dachte sie, als sie in der letzten Biegung mit vier Riesenschritten endlich die Tür erreichte, sie aufriss und Alex und Dil Bahadur hinter sich über die Schwelle zog.
    Ohne einen Gedanken daran, welche Gefahren hier auf sie lauern mochten, stürzten die drei aus dem Schneckenkorridor, rempelten einander fast um, schnappten halb erstickt nach Luft und klopften sich das Pulver von den Kleidern. Dann sahen sie sich den Filmausschnitt an: Nichts Bedrohliches. Der König war so zielstrebig durch diesen Raum gegangen wie zuvor durch den Korridor. Nadia, die sich etwas besser fühlte als die anderen beiden, gab ihnen durch eine Geste zu verstehen, sie sollten erst einmal warten, während sie den Raum genauer unter die Lupe nahm.
    Es war ein hell erleuchteter Saal, die Luft schien normal. Es gab mehrere Türen, aber auf dem Film war klar zu sehen gewesen, welche sie nehmen mussten. Nadia ging ein paar Schritte darauf zu und blinzelte, weil alles mit einem Mal zu verschwimmen begann: Bunte Pünktchen, Striche und geometrische Figuren tanzten vor ihren Augen. Sie streckte die Arme aus, weil ihr schummrig wurde. Als sie sich zu Alex und Dil Bahadur umdrehte, sah sie, dass die ebenfalls schwankten.
    »Mir geht’s dreckig«, sagte Alex leise und sackte zusammen.
    »Jaguar, hey, denk nach! Dieses Pulver, vielleicht wirkt das so wie der Trank, den uns die Indianer gegeben haben. Da haben wir doch diese Traumbilder gesehen.«
    »Du meinst, es ist ein Halluzinogen?«, nuschelte Alex. »Wir sind high oder so?«
    »Was ist das, ein Halluzinogen?«, fragte Dil Bahadur, der sich nur noch mit großer Selbstbeherrschung auf den Füßen hielt.
    »So ein Zeug, von dem man Bilder sieht, die nicht da sind«, erklärte Nadia. »Doch, bestimmt ist es so was. Jeder von uns sieht wahrscheinlich gleich etwas anderes. Aber nichts davon gibt es wirklich.« Sie half Alex auf die Füße und stützte ihn und denPrinzen auf dem Weg zur nächsten Tür, ohne zu ahnen, wie elend sie sich selbst gleich fühlen würde.
    ~
    Trotz Nadias Vorwarnung war keiner der drei auf die grauenhafte Wirkung des goldenen Pulvers gefasst. Es begann mit einem Wirrwarr von Farben und gleißenden Figuren, die rasend schnell vor ihnen herumwirbelten. Sie mussten sich zwingen, die Augen offen zu halten, stolperten vorwärts und fragten sich, wie der König es bloß geschafft hatte, so ruhig zu bleiben, denn den Film war kaum verwackelt gewesen. Dann fühlte es sich an, als kappte jemand ihre Verbindung zur Wirklichkeit und zur Welt, als würden sie in den Tod gestoßen, sie wimmerten vor Angst. Mittlerweile hatten sie den nächsten Raum betreten, der viel größer war als die

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