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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Schlangen. Alex wich zurück, aber Dil Bahadur hielt ihn am Arm fest.
    »Die Skelette sind uralt, sie sind hier vor Jahrhunderten zur Abschreckung hingehängt worden.«
    »Und die Schlangen?«
    »Na, komm, Jaguar, die Kerle von der Skorpionsekte sind durchgegangen, dann schaffen wir das auch«, sagte Nadia.
    »Angeblich sind die ja auch gegen alle möglichen Gifte immun.«
    »Vielleicht sind diese Schlangen nicht giftig. Mein ehrwürdiger Meister Tensing hat mir gezeigt, dass der Kopf von Giftschlangen dreieckiger aussieht. Gehen wir.« Der Prinz schob sich an Alex vorbei.
    »Die Schlangen sind gar nicht auf dem Film«, sagte Nadia.
    »Ja, weil die Kamera doch im Medaillon gesteckt hat, also hat sie nur aufgenommen, was auf Brusthöhe des Königs war, und nicht seine Füße.«
    »Dann sollten wir von jetzt an vor allem darauf achten, was sich oben und unten abspielt.«
    Die drei bahnten sich fuchtelnd einen Weg zwischen den Skeletten, liefen über die zuckenden Schlangen und gelangten endlich zur nächsten Tür, hinter der ein leerer Raum im Halbdunkel lag.
    »Halt!« Alex hielt den Prinzen am Arm zurück. »Dein Vater ist hier im Türrahmen stehengeblieben und hat links irgendwas gemacht, guck mal.«
    »Ich weiß wieder, irgendwo hier muss ein Zapfen ins Holz geschnitzt sein.« Dil Bahadur tastete den Rahmen ab.
    Er fand den Zapfen und drückte dagegen. Der hölzerne Hebel versank im Rahmen, und im gleichen Moment hörten sie ein metallisches Rasseln, und in einer Staubwolke rauschte ein Wald von Lanzen von der Decke. Sie warteten, bis sich die letzte Lanze in den Holzboden gebohrt hatte.
    »Jetzt wäre es doch gut, wir hätten Borobá dabei«, sagte Nadia, die sich nur schwer damit abfinden konnte, dass der Affe im Palastgarten warten musste. »Ich habe doch gleich gesagt, wir hätten ihn mitnehmen sollen, dann könnte er jetzt den Weg testen … Aber, was soll’s, ich gehe als Erste, ich bin dünner und leichter als ihr.«
    »Sicher bin ich mir nicht, aber die Falle ist möglicherweise weniger schlicht, als sie aussieht«, warnte sie Dil Bahadur.
    Wie ein Aal schlängelte sich Nadia zwischen den Eisenlanzen hindurch. Sie war erst ein paar Meter weit gekommen, als sie mit dem Ellbogen eine davon streifte und sich unter ihren Füßen unvermittelt eine Grube auftat. Im Fallen bekam Nadia noch eben zwei Lanzen rechts und links der Grube zu fassen und hing baumelnd über dem Abgrund. Ihre Hände rutschten ab, verzweifelt ruderte sie mit den Beinen, fand aber nirgends Halt. Ohne darauf zu achten, wo er die Füße hinsetzte, stürzte Alex zu ihr. Er packte sie um die Taille, zog sie zu sich hoch und presste sie an sich. Eine Erschütterung ging durch den Saal, alles schwankte wie bei einem Erdbeben, und noch mehr Lanzen prasselten von der Decke. Stocksteif standen die beiden da und hielten sich fest. Dann endlich war Ruhe. Sie lebten noch. Ganz langsam lösten sie sich voneinander.
    »Bloß nirgends anstoßen«, wisperte Nadia, die fürchtete, selbst zu lautes Ausatmen könne zu einer Katastrophe führen.
    In Zeitlupe schafften es die beiden auf die andere Seite vor zwei Türen und winkten Dil Bahadur, der allerdings schon losgegangen war, denn wegen der Lanzen machte er sich keine Sorgen: Er hatte ja sein Amulett.
    »Kein schönes Ende, so als aufgespießter Käfer«, sagte Alex und putzte seine schweißbeschlagene Brille.
    »Ist ja noch mal gut gegangen«, sagte Nadia, obwohl auch ihr das Herz wie wahnsinnig hämmerte.
    »Wenn ihr dreimal tief einatmet bis in den Bauch und dann ganz langsam wieder ausatmet, vielleicht werdet ihr dann ruhiger und …«
    »Keine Zeit für Yoga. Kommt weiter«, fiel Alex dem Prinzen ins Wort.
    Der Film zeigte ihnen die richtige Tür, und kaum hatten sie sie aufgestoßen, da klirrten die Lanzen alle gleichzeitig zurück in die Decke und hinterließen einen leeren Raum. Sie durchquerten zwei Säle mit etlichen Türen, aber ohne Fallen. Das beruhigte sie etwas, sie atmeten durch, blieben aber auf der Hut.
    Hinter der nächsten Tür war es stockfinster.
    »Auf dem Film sieht man nichts, der Bildschirm ist schwarz«, sagte Alex.
    »Was kommt denn jetzt?« Nadia klang ein bisschen zittrig.
    Der Prinz nahm die Taschenlampe und leuchtete auf den Fußboden, auf den ein üppig grüner, mächtiger Baum gemalt war, voller Früchte und Vögel und so echt, dass er aussah, als wachse er mitten im Raum aus dem Boden. Er war wundervoll und einladend, man hätte näher treten und ihn berühren

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