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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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bis ans Ende ihres Lebens im Gefängnis schmoren.«
    »Und dort würden sie Weisheit erlangen?«
    Kate fiel vor Lachen fast vom Pferd.
    »Unwahrscheinlich, Herr General«, sagte sie, als sie sich wieder hochgerappelt hatte, und wischte sich die Tränen ab.
    Myar Kunglung fragte sich, was die alte Reporterin nur so erheitert haben konnte. Aber diese Ausländer waren sonderbare Leutemit unbegreiflichen Manieren, und was sollte er seine Kraft damit verschwenden, bei ihnen durchzusteigen, es reichte, wenn er sie hinnahm.
    Es wurde dunkel, und an einer Felsterrasse im Hang hielten sie an und schlugen ein kleines Lager auf. Sie wollten so schnell wie möglich das Kloster erreichen, aber im Licht der Taschenlampen den Aufstieg fortzusetzen wäre kopflos gewesen.
    Kate war erschöpft. Der anstrengende Ritt, dazu die Höhe, an die sie nicht gewöhnt war; und ihren Husten war sie noch immer nicht los. Nur ihr unverwüstlicher Wille trieb sie weiter und die Hoffnung, dort oben Alexander und Nadia zu finden.
    »Vielleicht solltet Ihr Euch keine Sorgen machen, Mütterchen. Wo Tensing und der Prinz sind, kann den beiden nichts passieren«, versuchte Pema sie zu beruhigen.
    »Irgendetwas muss dort oben aber passiert sein, die Skorpionkrieger waren ja völlig am Ende.«
    »Sie haben vom Fluch des Goldenen Drachen geredet und dass sie von Dämonen verfolgt worden sind. Glaubt Ihr, in diesen Bergen gibt es Dämonen, Mütterchen?«
    »Kindchen, so einen Blödsinn glaube ich grundsätzlich nicht.« Mit dem Mütterchen konnte sie sich noch immer nur schwer abfinden.
    Die Nacht wurde ihnen endlos, keiner fand richtig Schlaf. Noch ehe die Sonne aufging, bereiteten die Soldaten ein einfaches Frühstück mit gesalzenem Buttertee, Reis und getrocknetem Gemüse, das wie Schuhsohle aussah und auch so schmeckte, dann brachen sie erneut auf. Trotz ihrer fünfundsechzig Jahre und ihrer Raucherkurzatmigkeit hielt Kate gut mit. General Myar Kunglung sagte nichts dazu und vermied den Messerblick ihrer blauen Augen, aber in seinem Kämpferherzen wuchs unvermeidlich so etwas wie Bewunderung für sie. Am Anfang hatte er sie nicht ausstehen können und nur darauf gewartet, sie endlich wieder loszuwerden, aber mittlerweile fand er sie gar nicht mehr so unmöglich, und mit jedem Tag stieg sie in seiner Achtung.
    Als sie das Kloster endlich erreichten, dachten sie, es sei menschenleer. Vollkommene Stille lag über den alten Ruinen. Mit gezogenen Waffen bahnten sich der General und seine Soldateneinen Weg durch die Trümmer, dicht gefolgt von Pema und Kate. Einen nach dem anderen durchquerten sie die weitläufigen Säle, bis Myar Kunglung den letzten Saal des Gebäudeflügels betrat. Er hatte den Fuß kaum über die Schwelle gesetzt, da schnürte ihm eine Kette die Kehle zu, und er verlor den Boden unter den Füßen. Ein riesenhafter Mönch tauchte im Türrahmen auf und hielt mit seinen baumstammdicken Armen den strampelnden General in der Schwebe.
    »Tensing, ehrwürdiger Meister!« Pema stürzte an den anderen vorbei auf ihn zu.
    »Pema!«
    »Ja, ehrwürdiger Meister! Vielleicht wäre es geboten, den ehrwürdigen General Myar Kunglung wieder auf die Füße zu stellen …«
    Behutsam setzte Tensing den gebeutelten General ab, wickelte ihm die Kette vom Hals und verbeugte sich tief vor ihm.
    »Tampo kachi, ehrwürdiger General.«
    »Tampo kachi.« Der General versuchte seinen Ärger zu überspielen, indem er an seiner Uniformjacke herumnestelte. »Wo ist der König?«
    Tensing gab den Türrahmen frei, und alle traten in den weiten Saal. Das halbe Dach war eingestürzt und der Rest hing bedrohlich durch, in einer der Außenmauern klaffte ein großes Loch, durch das diffuses Licht ins Innere fiel. An den Berggipfeln hatte sich eine Wolke verfangen, Nebelfetzen drangen ins Innere und gaben allen Dingen etwas Traumhaftes. Zwischen den Ruinen bewegte sich ein zerfranster Wandteppich leicht im Luftzug, und mitten im Raum ruhte, wie in tiefem Schlaf überrascht und wunderbar unversehrt, ein großer Buddha aus Holz.
    Der König lag aufgebahrt zu Füßen des Buddha zwischen brennenden Butterkerzen. Die Flammen tanzten golden verschwommen in einer eisigen Böe, die durch den Raum fegte. Reglos hielt der nepalesische Held die Totenwache und sah kaum auf, als der Trupp den Raum betrat.
    Kate kam sich vor, als wäre sie in eine Filmaufnahme geraten. Alles wirkte wie Kulisse: die Ruine in wattigem Zwielicht; überall Scherben uralter Statuen und Trümmer von Säulen;

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