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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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gewesen, nichts mehr tun zu müssen. Ein Leben lang hatte sie sich, getrieben von ihrer Habgier, in immer neue Wagnisse gestürzt, aber jetzt erschien ihr der Tod wie eine Erlösung. Wenn sie für kurze Momente zu sich kam, dachte sie nicht an ihre früheren Triumphe, sondern nur an das heitere Gesicht von Dorji, dem König. Warum stand er ihr nur so klar vor Augen? Geliebt hatte sie ihn nie. Sie hatte so getan, damit er ihr das Geheimnis desGoldenen Drachen anvertraute, weiter nichts. Und doch musste sie sich eingestehen, dass sie ihn bewunderte. Sein großes Herz hatte sie tief beeindruckt. Wären die Umstände andere gewesen oder sie nicht die, die sie war, sie hätte sich bestimmt hoffnungslos in ihn verliebt; aber das hatte sie nicht, kein bisschen. Aber warum begleitete sie das Bild des Königs dann an diesen unwirtlichen Ort, wo sie auf den Tod wartete? Die sanften und wachen Augen des Monarchen waren das Letzte, was sie sah, ehe sich die Dunkelheit um sie schloss.
    Der Suchtrupp fand sie gerade noch rechtzeitig. Jetzt lag sie im Krankenhaus im künstlichen Koma, nachdem man ihr einige erfrorene Zehen und Finger amputiert hatte.
    »Ehe er starb, hat mein Vater mir aufgetragen, Judit Kinski nicht mit Gefängnis zu bestrafen. Ich möchte ihr die Möglichkeit geben, ihr Karma zu reinigen und tiefere Einblicke zu sammeln. Ich werde sie für den Rest ihres Lebens in ein Kloster an der Grenze zu Tibet schicken. Das Klima ist dort etwas rau, und es liegt ein wenig abgeschieden, aber die Nonnen sind der Erleuchtung sehr nah. Es heißt, sie stehen vor Sonnenaufgang auf, verbringen den Tag in stiller Meditation und brauchen nur wenige Körner Reis zum Leben.«
    »Und dort wird Judit dann Weisheit erlangen?« Kate zwinkerte zu General Myar Kunglung hinüber.
    »Das hängt ganz von ihr ab, ehrwürdiges Mütterchen.«
    »Darf ich Eure Majestät bitten, mich Kate zu nennen? Bei meinem Vornamen?«
    »Es ist mir eine Ehre, Sie bei Ihrem Vornamen zu nennen. Vielleicht möchten das ehrwürdige Mütterchen Kate, die wackeren Fotografen und meine Freunde Nadia und Alexander eines Tages in dieses bescheidene Königreich zurückkehren, wo Pema und ich sie immer erwarten werden …«
    »Na klar!«, entfuhr es Alex, aber Nadia stieß ihm den Ellbogen in die Rippen, was ihm wieder Manieren beibrachte, und er sagte schnell: »Auch wenn wir möglicherweise das großzügige Angebot von Eurer Majestät und seiner würdigen Braut nicht verdienen, wagen wir es vielleicht doch, die ehrenvolle Einladung anzunehmen.«
    Alle lachten los, sogar die Nonnen, die feierlich den Tee servierten, während Borobá ausgelassen herumhüpfte und Schokoladentortenbrocken in die Luft warf.
    ENDE

Im Bann der Masken

Für Bruder Fernando de la Fuente,
Missionar in Afrika,
dessen Geist diese Geschichte bewegt.

ERSTES KAPITEL
Die Seherin
    Auf einen Befehl von Michael Mushaha hielt der Tross Elefanten an. Es war Mittag, die Sonne brannte, und die Wildtiere im weitläufigen Nationalpark suchten sich einen Platz zum Dösen. Für ein paar Stunden hielt das Leben inne, die afrikanische Savanne glich einem Höllenkessel voll glühender Lava, und selbst die Hyänen und Geier flüchteten in den Schatten. Alexander Cold und Nadia Santos ritten auf einem eigensinnigen Elefantenbullen namens Kobi. Er hatte Nadia ins Herz geschlossen, denn sie hatte in den vergangenen Tagen eifrig die Grundlagen der Elefantensprache gelernt und konnte sich mit ihm verständigen. Während ihrer langen Streifzüge erzählte sie ihm von Südamerika, von ihrem Zuhause am anderen Ende der Welt, wo es außer einigen geheimnisvollen Urzeitwesen, die verborgen in einem unzugänglichen Berg im Regenwald lebten, keine Geschöpfe von seiner Größe gab. Kobi schätzte Nadia sehr, und im gleichen Maße verabscheute er Alex, wobei er jede Gelegenheit nutzte, seine Gefühle zu zeigen.
    Unter staubigen Bäumen am Rand eines Wasserlochs, dessen Farbe an Tee mit Milch erinnerte, kam Kobis Fünftonnengewicht zum Stehen. Alexander hatte eine eigene Technik entwickelt, um bei seinem Sprung aus drei Metern Höhe einigermaßen heil zu bleiben, denn auch nach fünf Tagen Safari ließ sich der Elefant nicht zur Mitarbeit bewegen. Wie Alex zu spät merkte, hatte Kobi sich diesmal so hingestellt, dass er beim Springen unweigerlich ins Wasserloch platschte, wo er bis zu den Knien einsank. Borobá, Nadias kleines schwarzes Äffchen, landete auf seinem Kopf. Alex wollte ihn herunterklauben, strauchelte und fiel auf

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