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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Blut, Benzin. Má Bangesé gab einen kehligen Laut von sich, eine gedehnte und heisere Klage, die aus ihrem Bauch aufzusteigen schien und anschwoll, bis der Boden bebte, und es war, als dringe der Ton aus den Tiefen der Erde. Nadia und Alexander schwitzten und hatten plötzlich das Gefühl, gleich werde ihnen schwarz vor Augen. Das enge Zelt war gefüllt mit Rauch, sie schnappten nach Luft. Raus, sie wollten nur raus, aber sie konnten sich nicht rühren. Sie erzitterten wie unter dem Schlag großer Trommeln, hörten Hunde jaulen, ihre Münder füllten sich mit bitterer Spucke, und unter ihren ungläubigen Blicken löste sich die massige Frau vor ihnen auf wie ein Ballon, aus dem die Luft entweicht, und dort, wo sie gesessen hatte, reckte ein Fabelwesen den Hals, ein Paradiesvogel mit leuchtend gelbem und blauem Gefieder und türkisfarbenem Kamm, der nun seine schillernden Flügel spreizte, die beiden umfing und mit sich in die Höhe trug.
    Nadia und Alex wurden in den Raum geschleudert. Sie sahen sich selbst wie zwei Striche schwarzer Tinte inmitten eines Kaleidoskops leuchtender Farben und geschwungener Formen, die rasend schnell wechselten. Sie wurden zu Bengalischen Feuern, zerstoben in Funken, wussten nicht mehr, was Leben war, was Zeit oder Angst. Wie in einem magnetischen Strudel fanden die Funken erneut zueinander und schwebten als zwei winzige Punkte durch das Kaleidoskop. Sie waren zwei Astronauten, die Hand in Hand durch den Raum trudelten. Sie spürten sich nicht, nahmen nur schwach die Bewegung wahr und dass sie miteinander verbunden waren. Diese Verbindung versuchten sie verzweifelt festzuhalten, die Hand des anderen war das einzig Menschliche, das noch in ihr Bewusstsein drang. Solange sie nicht losließen, wären sie nicht ganz verloren.
    Grün, ringsum nichts als grün. Sie stürzten darauf zu, gleich würden sie aufschlagen, aber da zerfaserte die Farbe, und wie zwei Daunen segelten sie hinab und hinein in ein Gewirr wattiger Gewächse, die aussahen wie Pflanzen auf einem fremden Planeten, wo es heiß war und feucht. Als durchsichtige Quallen waberten siedurch die dampfgeschwängerte Luft. Sie waren wie Gallert, hatten keine Knochen, die ihnen eine Form gaben, keine Kraft, sich zu wehren, keine Stimme, um zu schreien, als vor ihren Augen in schnellem Wechsel grausige Bilder abliefen von verwüsteten Wäldern, von blutigen Kämpfen und Tod. Spukgestalten in Ketten schleppten sich an ihnen vorbei und bahnten sich einen Weg zwischen Gerippen von Tieren. Sie sahen Körbe, aus denen abgehackte Menschenhände ragten, und Kinder und Frauen, die in Käfigen hockten.
    Jäh waren sie wieder sie selbst, hatten ihre gewohnte Gestalt zurück, da wuchs vor ihren Augen ein grausiges Wesen aus dem Boden, ein Riese mit drei Köpfen und einer Haut wie ein Krokodil. Der eine Kopf hatte vier Hörner und eine struppige Löwenmähne, der zweite war kahl und augenlos und spie Feuer durch die Nüstern, der dritte war der Kopf eines Leoparden mit blutverschmierten Fangzähnen und böse blitzenden Pupillen. Alle drei rissen die Mäuler auf und zeigten ihre Echsenzungen. Schwerfällig holten die riesigen Pranken des Monstrums nach Nadia und Alex aus, der Blick des Leopardenkopfes durchbohrte sie, und die drei Mäuler spuckten giftigen Geifer. Nadia und Alex duckten sich unter den Hieben weg, wieder und wieder, aber sie schafften es nicht zu fliehen, eine lähmende Schwermut lastete auf ihnen. Unendlich lange ging das so, als sie plötzlich Speere in den Händen hielten, und verzweifelt stießen sie damit auf das Monstrum ein. Aber immer, wenn sie einen der Köpfe getroffen hatten, griffen die anderen beiden an, und wenn sie diese zurückdrängten, war der erste schon wieder zum Kampf bereit. Die Speere zerbrachen. Schon waren die aufgerissenen Mäuler über ihnen, in letzter Verzweiflung dachten Alex und Nadia an ihre Totemtiere, Alex wurde zum schwarzen Jaguar und Nadia zum Adler, aber gegen diesen Feind konnte die Raubkatze nichts ausrichten, und die Flügel des Adlers waren nutzlos. Ihre Schreie gingen im Gebrüll des Monstrums unter.
    »Nadia! Alexander!«
    Kates Stimme brachte sie zurück in die Wirklichkeit, und sie fanden sich wie zuvor auf dem Boden sitzend, waren in Afrika, auf einem Markt, in einem Zelt mit Strohdach, und vor ihnen saß eine massige Frau, die in gelbe und blaue Stoffe gehüllt war.
    »Wieso habt ihr geschrien? Wer ist diese Frau? Was ist hier los?«
    »Nichts, Kate, alles okay«, brachte Alex heraus

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