Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
sagte Angie und verstaute die Ampulle sorgfältig im Erste-Hilfe-Kasten ihres Flugzeugs.
    ~
    Sie hatten eben damit begonnen, das Gepäck in die Maschine zu laden, als zwischen dem nahen Strauchwerk ein Mann auftauchte, den keiner zuvor bemerkt hatte. Er trug Jeans, halbhohe, ausgetretene Stiefel und ein schmutziges Baumwollhemd. Einen Schlapphut aus Stoff hatte er sich in den Nacken geschoben, und über seinen Schultern hing ein Rucksack, an dem ein rußgeschwärzter Topf und ein langes Buschmesser baumelten. Er war klein, hager und kantig, hatte eine Glatze, blasse Haut und schüttere dunkle Brauen und blickte durch eine Brille mit sehr dicken Gläsern.
    »Einen schönen guten Morgen«, sagte er erst auf Spanisch und gleich darauf auch auf Englisch und Französisch. »Ich bin Bruder Fernando, katholischer Missionar.« Er reichte Michael Mushaha und dann der Reihe nach den anderen die Hand.
    »Wie sind Sie hierher gekommen?« Michael starrte ihn entgeistert an.
    »Gelaufen.«
    »Zu Fuß? Von wo? Man braucht Tage von hier bis ins nächste Dorf!«
    »Die Wege sind lang, aber alle führen zu Gott.«
    Er erklärte, er sei Spanier und stamme aus Galicien, sei dort aber schon seit vielen Jahren nicht mehr gewesen. Gleich nach dem Priesterseminar war er nach Afrika geschickt worden, und hier tat er nun schon seit dreißig Jahren in verschiedenen Ländern Dienst. Zuletzt hatte er zusammen mit anderen Brüdern seines Ordens und mit drei Nonnen in einer kleinen Missionsstation in einem Dorf in Ruanda gearbeitet. Dort hatte der grausamste Krieg gewütet, den der Kontinent je erlebt hatte. Unzählige Menschen waren auf der Flucht vor den Gewalttätigkeiten, aber wohin sie auch gingen, immer wurden sie von den Schrecken eingeholt. Die Erde war verbrannt und getränkt von Blut, seit Jahren wurden die Felder nicht mehr bestellt, und wer dem Gemetzel hatte entgehen können, wurde Opfer von Krankheiten und Hunger. Auf den Wegen durch dieses zur Hölle gewordene Land konnte man sie sehen: verwitwete Frauen und verwaiste Kinder, viele von ihnen verwundet oder zu Krüppeln geworden, alle ausgezehrt und am Ende ihrer Kräfte.
    »Der Tod feiert dort ein Fest«, schloss der Missionar seinen Bericht.
    Angie nickte: »Ich habe es auch gesehen. Es sind mehr als eine Million Menschen umgekommen, und den Rest der Welt kümmert es kaum.«
    »Hier in Afrika steht die Wiege der Menschheit«, sagte der Missionar in einem Tonfall, als würde er predigen. »Wir alle sind Kinder von Adam und Eva, und die Wissenschaft sagt, die beiden waren Afrikaner. Dies hier ist das Paradies auf Erden, von dem die Bibel spricht. Gott wollte, dass dies ein Garten sei, in dem seine Geschöpfe in Eintracht und Überfluss leben, aber sehen Sie sich an, was die Menschen in ihrem Hass und ihrer Dummheit daraus gemacht haben …«
    »Sind Sie vor dem Krieg geflohen?«, unterbrach ihn Kate.
    »Die Rebellen haben unsere Schule in Brand gesetzt, und wir erhielten Anweisung, die Missionsstation zu evakuieren, aber auf der Flucht bin ich nicht. Mir steht eine Aufgabe bevor: Ich muss zwei verschollene Missionare finden.«
    »Hier in der Gegend?«, fragte Mushaha ungläubig.
    »Aber nein, sie waren in einem Dorf, das Ngoubé heißt. Sehen Sie, hier …«
    Der Missionar hatte eine Landkarte aus der Seitentasche seines Rucksacks gezogen, die er jetzt auf dem Boden ausbreitete, um ihnen den Ort zu zeigen, an dem seine Brüder zuletzt gewesen waren. Alle beugten sich über die Karte.
    »Diese Gegend dort unten ist unzugänglich, heiß und menschenfeindlich wie keine zweite in Äquatorialafrika. Die Zivilisation ist bis dorthin nie vorgedrungen, einziges Transportmittel sind die Kanus auf den Flüssen, kein Telefon, keine Funkverbindungen«, erklärte der Missionar.
    »Und wie haben Sie dann Kontakt zu den beiden Missionaren gehalten?«, wunderte sich Alex.
    »Sie haben uns Briefe geschrieben, die waren zwar monatelang unterwegs, aber wir hatten doch dann und wann Nachricht von ihnen. Die Lage in Ngoubé war sehr angespannt. Der ganze Landstrich wird von einem gewissen Maurice Mbembelé kontrolliert, er ist ein Psychopath, ein Wahnsinniger, der keine Skrupel kennt, es heißt sogar, es habe Fälle von Kannibalismus gegeben. Seit vielen Monaten haben wir nichts von unseren Brüdern gehört. Wir sind in großer Sorge.«
    ~
    Alexander betrachtete die Landkarte am Boden. Dieses abgegriffene Stück Papier vermittelte nicht die leiseste Ahnung von den gewaltigen Ausmaßen des afrikanischen

Weitere Kostenlose Bücher