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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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schätzen und den besten Winkel für eine Landung zu finden.
    »Wäre nicht das erste Mal, dass ich auf weniger als vierhundert Metern lande. Festhalten, Kinder, gleich geht’s rund!« Und damit brach sie wieder in ihr ureigenes Kriegsgeschrei aus.
    Mit einer Dose Bier zwischen den Knien und ihrer Zigarre zwischen den bonbonfarbenen Lippen war Angie bisher sehr entspannt geflogen. Jetzt war sie wie ausgewechselt. Sie hatte die Zigarre im Aschenbecher ausgedrückt, der mit Klebeband am Boden befestigt war, rückte ihre Fettpolster auf dem Sitz zurecht, umklammerte mit beiden Händen den Steuerknüppel und peilte ihr Ziel an, während sie unablässig fluchte, heulte wie ein Komantschenkrieger und ihr Glück beschwor, das sie angeblich nie verließ, weil sie doch ihren Talisman um den Hals trug. Kate schloss sich Angies Gebrüll an und schrie sich die Seele aus dem Leib, weil ihr nichts Besseres einfiel, um ihre Nerven zu beruhigen. Nadia machte die Augen zu und dachte an ihren Vater. Alex wiederum riss die Augen weit auf und wünschte aus ganzem Herzen, Tensing wäre bei ihm, ein buddhistischer Lama, der ihnen mit seinen übersinnlichen Fähigkeiten ganz bestimmt hätte helfen können, aber Tensing war weit weg. Bruder Fernando und Joel sprachen laut ein Gebet auf Spanisch. Wie eine Wand ragte am Ende des kleinen Strands der Dschungel. Sie hatten nur einen Versuch. Falls die Landung nicht glückte, würde der Platz nicht ausreichen, um erneut an Höhe zu gewinnen. Sie würden in die Bäume krachen.
    Der Sturmfalke ging jetzt rasch tiefer. Schon streiften die ersten Zweige der Bäume seinen Bauch. Kaum hatten sie den Saum des Waldes passiert, ließ Angie die Maschine jäh zu Boden sacken und betete, der Strand möge fest und nicht mit Steinbrocken durchsetzt sein. Wie ein verwundeter Vogel fiel das Flugzeug herab und setzte schlingernd auf. Im Innern ging es drunter und drüber: Das Gepäck rutschte kreuz und quer, die Passagiere wurden gegen die Decke geworfen, die Bierdosen rollten über den Boden, die Treibstofffässer tanzten in der Halterung. Beide Arme gegenden Steuerknüppel gestemmt, trat Angie das Bremspedal bis zum Anschlag durch und versuchte die Maschine zu stabilisieren, damit die Flügel nicht brachen. Der Motor jaulte verzweifelt, und ein starker Geruch nach verbranntem Gummi füllte die Kabine. Das Flugzeug bebte bei dem Versuch, zum Stillstand zu kommen, und eine Wolke aus Sand und Qualm nahm ihnen die Sicht auf die letzten Meter Piste.
    »Die Bäume!«, kreischte Kate, als sie jäh vor ihr auftauchten.
    Angie schenkte sich eine Antwort – die Bäume waren nicht zu übersehen. Wieder spürte sie diese Mischung aus Entsetzen und Faszination, die wie eine Welle ihren Körper durchlief, wenn sie ihr Leben aufs Spiel setzte, ihre Haut kribbelte, das Herz raste. Diese glückliche Angst war das Beste an ihrem Beruf. Mit jeder Faser ihres Körpers rang sie darum, die Maschine in den Griff zu bekommen. Es war ein Nahkampf mit dem Flugzeug wie ein Rodeo auf einem wilden Stier. Als sie schon glaubte, diesmal habe sie verloren, tat der schlingernde Sturmfalke einen heftigen Ruck, kippte vornüber und bohrte den Schnabel in den Sand.
    »Verdammt!«, schrie Angie.
    »Nicht fluchen, gute Frau«, ließ sich Bruder Fernando mit zitternder Stimme aus dem hinteren Teil der Maschine vernehmen, wo er unter der Fotoausrüstung begraben lag. »Hat Gott etwa nicht für eine Landebahn gesorgt?«
    »Sagen Sie ihm, jetzt kann er mir einen Mechaniker besorgen, wir haben da nämlich ein Problem«, tobte Angie weiter.
    »Immer mit der Ruhe. Wir sollten uns den Schaden erst einmal ansehen.« Und damit machte Kate sich an der Luke zu schaffen, während die anderen sich unter den Gepäcktaschen hervor in ihre Richtung kämpften. Als Erster sprang der arme Borobá ins Freie, der in seinem Leben selten solche Ängste ausgestanden hatte. Im Licht, das durch die geöffnete Luke drang, sah Alex, dass Nadias Gesicht voller Blut war.
    »Aguila!« Erschrocken nahm er ihren Arm und half ihr zwischen den durcheinander gewürfelten Gepäckstücken und den aus der Halterung gerissenen Sitzen zur Luke.
    Als schließlich alle draußen waren, stellten sie erleichtert fest, dass niemand ernstlich verletzt war. Nadia hatte nur Nasenbluten. Der Sturmfalke dagegen sah arg mitgenommen aus.
    »Wie ich befürchtet habe: Ein Propellerblatt ist abgeknickt«, sagte Angie.
    »Schlimm?«, fragte Alex.
    »Normalerweise ist das halb so wild. Wenn ich einen

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