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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Unterstützung von Bruder Fernando klar, sie sollten in vier Tagen genau hier wieder warten und würden dafür mit weiterem Geld und zusätzlich mit Zigaretten und eingelegten Pfirsichen belohnt. Der Angesprochene nickte mit gezwungenem Lächeln, die beiden Ausgestiegenen schoben die Boote ein Stück an und sprangen wieder hinein, und die vier paddelten davon, als wäre ihnen der Leibhaftige auf den Fersen.
    »Schräge Vögel!« Kate zuckte die Achseln.
    »Ich fürchte, die sehen wir nicht wieder«, sagte Angie düster.
    »Wir sollten besser aufbrechen, ehe es dunkel wird.« Bruder Fernando streifte seinen Rucksack über die Schulter und griff sich mit jeder Hand eine Tasche.

SECHSTES KAPITEL
Die Pygmäen
    Von einem Pfad, wie die Paddler gesagt hatten, konnte die Rede nicht sein. Vielmehr war hier alles Morast, in dem Wurzeln und Äste steckten, und manchmal versanken die Gefährten bis über die Knöchel in einem weichen Rahm aus Insekten, Blutegeln und Würmern. Dicke Ratten, groß wie Hunde, flüchteten vor ihren Schritten ins Unterholz. Sie waren froh um ihre Stiefel, denn die würden sie wenigstens vor Schlangenbissen schützen. Die Luft war so feucht, dass Alexander und Kate schließlich ihre beschlagenen Brillen absetzten, während Bruder Fernando, der ohne Brille nichts oder fast nichts sah, alle fünf Minuten die Gläser blank reiben musste. Zwischen den Lianen und dem Farn waren die mit Kerben gekennzeichneten Stämme kaum zu finden.
    Alex merkte einmal mehr, dass die Tropen nichts für ihn waren. Er fühlte sich körperlich schlapp, und eine dumpfe Gleichgültigkeit lastete auf seinem Gemüt. Sehnsüchtig dachte er an schneebedeckte Berge, an die klare Luft, die erfrischende Kälte und an das Klettern mit seinem Vater. Er fragte sich, wie es Kate gehen mochte. Wenn er sich schon zum Ersticken fühlte, stand sie womöglich kurz vor einem Herzanfall, aber sie beklagte sich fast nie. Sie wollte sich vom Alter um nichts in der Welt unterkriegen lassen. Oft hatte er von ihr gehört, alt sei einer, wenn er gebeugt geht und Töne macht: Husten, Räuspern, Knacken von Knochen, hörbares Atmen. Also hielt sie sich gerade und gab nicht einen Mucks von sich.
    Die sechs Gefährten mussten sich ihren Weg fast ertasten und wurden obendrein von den Affen in den Bäumen mit Wurfgeschossen traktiert. Durch die Karte hatten sie zwar eine ungefähre Vorstellung davon, in welcher Richtung das Dorf liegen musste, aber wie weit es noch war, konnten sie nur schwer einschätzen. Noch weniger konnten sie einschätzen, wie man sie dort empfangen würde.
    ~
    Sie waren nun schon über eine Stunde unterwegs, kamen aber kaum voran, denn in diesem Gelände war an Eile nicht zu denken. Immer wieder mussten sie durch morastige Tümpel waten, in denen ihnen das Wasser bis zur Hüfte stand. Einmal tat Angie einen falschen Schritt und schrie auf, als sie spürte, wie der Boden unter ihren Füßen zu saugen begann und sie nicht mehr loskam. Bruder Fernando und Joel packten die Flinte am Lauf, und sie kämpfte sich mit beiden Händen am Kolben zurück auf sicheren Grund. In der Aufregung ließ sie ihren Beutel los.
    »Meine Tasche!« Aber sie versank bereits unwiederbringlich im Morast.
    »Macht nichts, meine Liebe, Hauptsache, Sie sind gerettet«, behauptete Bruder Fernando.
    »Von wegen, macht nichts! Da sind meine Zigarren und mein Lippenstift drin!«
    Kate fiel ein Stein vom Herzen: Wenigstens würde sie Angies duftenden Tabak nicht mehr riechen müssen, diese Verlockung war sie los.
    An einem Wasserloch hielten sie an, weil sie sich den gröbsten Schmutz abwaschen wollten, auch wenn sie sich mit dem Schlamm in den Stiefeln abfinden mussten. Außerdem hatten sie schon eine Weile das unangenehme Gefühl, dass jemand sie aus dem Dickicht heraus beobachtete.
    »Irgendwer ist da«, sagte Kate, als sie die Spannung nicht länger aushielt.
    Rücken an Rücken stellte die kleine Schar sich im Kreis auf, ihre spärlichen Waffen in der Hand: der Revolver und die Flinte, ein Buschmesser und zwei Taschenmesser.
    »Gott steh uns bei«, flüsterte Bruder Fernando, ein Stoßgebet, das ihm letzthin recht häufig entfuhr.
    Sie mussten nicht lange warten: Aus dem Unterholz traten zögernd etwa ein Dutzend Männer, klein wie Kinder. Der größte maß keine ein Meter fünfzig. Ihre Haut war gelblich braun, die Beine waren kurz, Arme und Rumpf dagegen lang, die Augen saßen weit auseinander, die Nasen waren platt und das kurze Haar zu Noppen

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