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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Pfad und ging in einen langgestreckten Dorfplatz über, den weniger schäbige, mit Wellblech oder Palmstroh gedeckte Lehmhütten säumten.
    Die Ankunft der Fremden sorgte für Aufregung, und im Nu kamen die Bewohner des Dorfes angelaufen, um zu sehen, was vorging. Sie ähnelten den Männern in den Kanus und waren wohl ebenfalls Bantus. Frauen in Lumpen und nackte Kinder drängten sich an einer Seite des Platzes, und durch diese dichte Menschenschar bahnten sich nun vier Männer einen Weg, die zweifellos zu einer anderen Volksgruppe gehörten, denn sie waren erheblich höher gewachsen als der Rest der Leute hier. Sie trugen abgewetzte Uniformhosen, Patronengurte um die Hüfte und waren mit museumsreifen Gewehren bewaffnet. Einer hatte zudem einen Tropenhelm auf dem Kopf, an dem ein paar Federn steckten, und trug ein T-Shirt und Badeschlappen, die anderen hatten nackte Oberkörper und waren barfuß. Alle vier hatten Riemen aus Leopardenfell um die Oberarme oder den Kopf geschlungen, und ihre Wangen und Arme waren mit rituellen Narben verziert, mit genoppten Linien, die aussahen, als steckten Steinchen oder Perlen unter der Haut.
    Mit dem Auftauchen der Soldaten waren die Pygmäen auf einen Schlag wie ausgewechselt, nichts war mehr zu spüren von ihrer Selbstgewissheit und von dem unbekümmerten Miteinander, das sie im Wald gezeigt hatten. Sie warfen das Gepäck auf den Boden, senkten den Blick und wichen zurück wie geprügelte Hunde. Nur Beyé-Dokou wagte es, sich mit einem kurzen Wink von Kate und den anderen zu verabschieden.
    Mit ihren Gewehren im Anschlag traten die Soldaten näher und bellten den Neuankömmlingen etwas auf Französisch entgegen.
    »Good evening«, grüßte Kate verdattert, weil sie ganz vorne stand und ihr nichts Besseres einfiel.
    Die vier übersahen Kates zum Gruß ausgestreckte Hand und drängten die ganze Gruppe unter den neugierigen Blicken der Umstehenden mit den Gewehrläufen gegen die Wand einer Hütte.
    »Kosongo, Mbembelé, Sombe!«, rief Kate.
    Das schien die vier Männer zu verunsichern, sie redeten in ihrer Sprache aufeinander ein, und schließlich verschwand einer, wohl auf der Suche nach Anweisungen. Sie mussten warten – eine Ewigkeit, wie ihnen schien.
    Alex fiel auf, dass einigen Dorfbewohnern eine Hand oder die Ohren fehlten. Außerdem hatten viele der Kinder, die aus einiger Entfernung zu ihnen herschauten, scheußliche Geschwüre im Gesicht. Auf seinen fragenden Blick hin flüsterte Bruder Fernando ihm zu, diese Wucherungen kämen von einem Virus, das von Fliegen übertragen wurde. Er hatte das in Flüchtlingslagern in Ruanda gesehen.
    »Wasser und Seife helfen dagegen, aber offenbar gibt es noch nicht einmal das hier.«
    »Und was ist mit der Krankenstation, die Missionare müssen doch Seife haben?«
    »Diese Geschwüre sind ein sehr schlechtes Zeichen, mein Junge. Sie bedeuten, dass meine Brüder nicht hier sind, sonst hätten sie längst etwas dagegen getan.« Der Missionar klang tief besorgt.
    Endlich, mittlerweile war es stockdunkel geworden, kam der Bote wieder und sagte auf Französisch, sie würden zum »Baum der Wörter« gebracht, wo die Regierungsangelegenheiten entschieden wurden. Sie sollten ihr Gepäck nehmen und mitkommen.
    ~
    Die Umstehenden bildeten eine Gasse, und die Gruppe überquerte den langgestreckten Platz, der das Dorf teilte. Am anderen Ende ragte ein gewaltiger Baum und spannte seine Krone wie einen Schirm über die ganze Breite des Platzes. Sein Stamm musste an die drei Meter dick sein, und wie Tentakel hingen mächtigeLuftwurzeln von seinen Ästen herab und gruben sich in die Erde. Zu Füßen des Baumes erwartete sie Kosongo in seiner ganzen Pracht.
    Der König thronte auf einem Podest in einem Sessel, der mit seinem roten Samtbezug und den geschwungenen, vergoldeten Beinen aussah, als hätte er sich aus einem französischen Schloss hierher verirrt. Zwei Elefantenstoßzähne waren rechts und links davon aufgepflanzt, und Leopardenfelle bedeckten den Boden. Darauf waren einige Holzfiguren mit grausig verzerrten Mienen und kleinere Puppen gruppiert, wie sie für Hexereien benutzt wurden. Drei Musiker, oben in blauen Uniformjacken, unten im Lendenschurz und barfuß, schlugen Stöcke aufeinander. Im Schein der rußenden Fackeln und zweier Feuer sah die Szenerie gespenstisch aus.
    Kosongo war mit einem Umhang angetan, der über und über mit Muscheln, Federn und einigen erstaunlichen Gegenständen wie Kronkorken, Filmrollen und Patronen bestickt war.

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