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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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müssten sie sich vor ihm und kriechen.
    Mbembelé beschrieb Beyé-Dokou, indem er eine unsichtbare Waffe aus dem flatternden gelben T-Shirt zog, sie sich an den Kopf hielt und wie tot zusammenbrach. Er sprang wieder auf, lief weiter, stieß seinen Speer in die Luft und tat, als hackte er sich mit einem Buschmesser oder einer Axt Hände und Füße ab. Es war auch ohne Worte klar, was er meinte. Sie dürften dem Kommandanten niemals widersprechen, sagte er. Kate fragte, wer Sombe war, aber da begann Beyé-Dokou am ganzen Körper zu schlottern, wand sich wie in Krämpfen und wollte nichts sagen, als hätte er plötzlich Furcht, auch nur den Namen auszusprechen.
    Ein Pfad war noch immer nicht zu sehen, aber die Pygmäen liefen unbeirrt und schienen die Markierung an den Bäumen nicht zu brauchen. Sie erreichten eine Lichtung, auf der ähnliche Voodoo-Figuren standen wie am Flussufer, diese jedoch rötlich gefärbt, wie mit Rost überzogen. Als sie näher kamen, sahen sie, dass es getrocknetes Blut war. Um die Figuren herum lagen Abfälle, Tierkadaver, faulende Früchte und Maniokwurzeln, außerdem Kalebassen mit etwas Flüssigem darin, Palmwein vielleicht oder anderer Alkohol. Es stank fürchterlich. Bruder Fernando bekreuzigte sich, und Kate musste den fahl gewordenen Joel daran erinnern, dass er zum Fotografieren hier war.
    »Hoffentlich stammt das Blut von Opfertieren und nicht von Menschen«, flüsterte er.
    »Das Dorf der Ahnen«, sagte Beyé-Dokou und deutete auf einen schmalen Pfad, der an einer der Figuren begann und sich im Wald verlor.
    Nach Ngoubé müssten sie einen Umweg machen, weil sie die Gefilde der Ahnen nicht durchqueren durften, wo die Geister der Toten umgingen. Es klang wie eine Grundregel für die eigene Sicherheit: Nur Unbelehrbare oder Narren wagten sich dorthin.
    »Wessen Ahnen sind das denn?«, wollte Nadia wissen.
    Beyé-Dokou sah Nadia verständnislos an, aber als Bruder Fernando die Frage wiederholte, begriff er.
    »Unsere Ahnen.« Er zeigte auf sich und seine Gefährten.
    »Und Kosongo und Membelé gehen auch nicht in euer Geisterdorf?«, fragte Nadia weiter.
    »Niemand geht dorthin. Wenn die Geister gestört werden, rächen sie sich. Sie ergreifen Besitz von den Lebenden, man hat keinen Willen mehr, wird krank und erleidet Qualen, manchmal auch den Tod«, sagte Beyé-Dokou und hielt sie zur Eile an, weil mit der Dunkelheit auch die Geister der Tiere erwachten und auf die Jagd gingen.
    »Woher weiß man, ob ein Tier echt ist oder ein Geist?«, fragte Nadia nach.
    »Der Geist riecht wie ein anderes Tier. Ein Leopard, der nach Antilope riecht, oder eine Schlange, die nach Elefant riecht, ist ein Geist.«
    »Du brauchst eine gute Nase und musst nah rangehen, wenn du sie auseinander halten willst …«, raunte Alex mit einem breiten Grinsen.
    Beyé-Dokou erzählte, früher hätten sie die Dunkelheit und die Geister der Tiere nicht gefürchtet, weil sie vom Ipemba-Afua beschützt worden seien. Kate wollte wissen, was für eine Gottheit das war, aber Beyé-Dokou befreite sie von ihrem Irrtum: Es war ein heiliges Amulett, das dem Stamm seit undenklichen Zeiten gehörte. Aus seiner Beschreibung verstanden sie so viel, dass es ein Menschenknochen war mit einem unerschöpflichen Pulver darinnen, das viele Gebrechen heilen konnte. Von Generation zu Generation hatten sie dieses Pulver unzählige Male benutzt, und doch war es nie zur Neige gegangen. Wer den Knochen öffnete, fand ihn gefüllt mit dem magischen Staub. Das Ipemba-Afua stellte die Seele seines Stammes dar, sagte Beyé-Dokou, es schenkte ihnen Gesundheit, Stärke und Jagdglück.
    »Und was ist damit?«, fragte Alex.
    Beyé-Dokou traten die Tränen in die Augen, als er sagte, Mbembelé habe ihnen das Amulett gestohlen, und nun sei es in der Hand Kosongos. Mit dem Ipemba-Afua besaß der König ihre Seele, sie waren ihm ausgeliefert.
    ~
    Sie erreichten Ngoubé mit dem letzten Licht des Tages, als die Bewohner bereits die ersten Fackeln und Feuer entzündeten, um ihr Dorf zu beleuchten. Sie folgten einem Pfad, vorbei an kümmerlichen Pflanzungen mit Maniok, Kaffee und Bananen, an zwei hohen Holzpalisaden – hinter denen vielleicht Vieh gehalten wurde – und an einer Reihe fensterloser Hütten mit schiefen Wänden und eingestürzten Dächern. Hier und da suchten Rinder mit langen Hörnern den Boden nach Halmen ab, und überall liefen halb gerupfte Hühner, klapperdürre Hunde und wilde Affen herum. Nach etwa hundert Metern weitete sich der

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