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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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und konnte sie noch für einen kurzen Moment als Schemen erhaschen, der durchs Dunkelschwebte. Obwohl ihm das Herz bis zum Hals schlug, musste er darüber schmunzeln, wie gut sie das Unsichtbarwerden inzwischen beherrschte.
    Nadia wartete, bis die Wachposten zusammenstanden und rauchten, und huschte dann zu einer der Fensteröffnungen, die keine Scheiben oder Jalousien hatten. Mit einem Schwung war sie auf der Fensterbank und spähte ins Innere. Drinnen brannte kein Licht, aber der Schein des Mondes und der Fackeln draußen genügte, um etwas zu erkennen. Der Raum war leer, und sie glitt ohne einen Laut hinein.
    Die beiden Wachen rauchten ihre Zigaretten auf und drehten eine weitere vollständige Runde um die Gebäude des Königs. Alex zählte die Sekunden, und endlich, endlich zerriss der Schrei einer Eule die Nacht. Er ließ Borobá los, und der flitzte auf das Fensterloch zu, aus dem der Schrei gedrungen war. Minuten, lang wie Stunden, vergingen, und nichts geschah. Plötzlich stand Nadia wie aus dem Nichts vor ihm.
    »Hat es geklappt?« Alex hätte sie vor Erleichterung am liebsten in den Arme genommen.
    »Kinderspiel. Borobá weiß, was zu tun ist.«
    »Also hast du das Amulett gefunden?«
    »Kosongo muss bei einer seiner Frauen sein. Ich habe nur ein paar Männer gesehen, die auf dem Boden geschlafen haben, und welche, die Karten spielen. Der Thron, das Podest, der Umhang, der Hut, das Zepter und die beiden Stoßzähne, alles da. Außerdem Truhen, wahrscheinlich ist dort der Goldschmuck drin.«
    »Das Amulett, Aguila, was ist mit dem Amulett?«
    »Das hängt am Zepter, aber ich konnte es nicht nehmen, sonst wäre ich aufgefallen. Borobá macht das schon.«
    »Wie?«
    Nadia deutete auf das Fenster, und Alex sah schwarze Rauchschwaden daraus hervorquellen.
    »Ich habe den Umhang des Königs angesteckt.«
    Fast im selben Moment hörten sie aufgeregte Rufe, die Wachen, die drinnen gewesen waren, stürzten ins Freie, aus der Kaserne kamen mehrere Soldaten angelaufen, und bald war das ganze Dorf auf den Beinen und mit Eimern voller Wasser dabei, den Brandzu löschen. Borobá nutzte das Durcheinander, schnappte sich das Amulett und sprang durch ein Fenster nach draußen. In Windeseile war er bei Nadia und Alex, und zu dritt brachen sie auf in den Wald.
    ~
    Unter der Kuppel der Bäume war die Finsternis fast vollkommen. Auch die Nachtaugen des Jaguars, den Alex heraufbeschwor, halfen ihnen nur wenig. Sie hörten es zischeln und sirren und dachten an die Raubtiere, die um diese Stunde auf Beutejagd gingen. Vor allem aber fürchteten sie sich vor den Moorlöchern. Ein falscher Schritt, und sie wären verloren.
    Alex hatte die Taschenlampe angeknipst und suchte mit ihrem Lichtkegel die Umgebung ab. Er hatte keine Angst, dass man sie vom Dorf aus entdecken könnte, denn das wuchernde Farnkraut versperrte die Sicht, aber er würde sparsam mit den Batterien umgehen müssen. Sie kämpften sich an Wurzeln und Lianen vorbei weiter ins Dickicht, wichen den Wasserlöchern aus, stolperten über unsichtbare Hindernisse und lauschten angespannt auf das beständige Getuschel des Urwalds.
    »Wie jetzt weiter?« Alex war stehen geblieben.
    »So geht das nicht, lass uns warten, bis es hell wird. Wie spät ist es?«
    Alex sah auf die Uhr: »Fast vier.«
    »Bald geht die Sonne auf, dann wird es leichter. Ich habe Hunger, die Ratten habe ich gestern nicht runtergekriegt.«
    »Wenn Bruder Fernando hier wäre, würde er sagen, dass Gott es schon richten wird«, sagte Alex düster.
    Sie machten es sich zwischen dem Farnkraut, so gut es ging, bequem. Die Feuchtigkeit kroch ihnen in die Kleider, Dornen pieksten sie, etwas krabbelte über ihre Arme, kitzelte im Nacken. Nahebei raschelte es im Unterholz, sie hörten Flügelrauschen, spürten den schweren Atem der Erde. Alex kramte sein Feuerzeug aus der Hosentasche. Am Amazonas hatte er feststellen können, dass Steine aufeinander zu schlagen nicht die schnellste Methode ist, um ein Feuer zu entfachen, seither hatte er das Feuerzeugbei jedem Ausflug dabei. Aber sosehr sie sich auch abmühten, das Holz hier war zu nass, und so mussten sie auf den Schutz und die Wärme eines Feuers verzichten.
    »Hier gibt es jede Menge Geister«, sagte Nadia.
    »Glaubst du das im Ernst?«
    »Ja, aber ich glaube nicht, dass sie uns was tun. Walimais Frau zum Beispiel. Die ist doch auch ein Geist, und sehr freundlich.«
    »Am Amazonas. Vielleicht sind die Geister hier anders. Immerhin haben die Leute hier Angst vor

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