Die Abenteuer von Aguila und Jaguar
überzeugt, dass es anders kommen würde.
Einzig diejenigen, die am besten hätten unterrichtet sein müssen, merkten nicht, dass etwas vorging im Dorf: Mbembelé und seine »Armee«. Die Macht war ihnen zu Kopf gestiegen, sie glaubten sich unangreifbar. Behaglich hatten sie es sich eingerichtet in der selbst geschaffenen Hölle, und da sie nie herausgefordert wurden, waren sie nicht wachsam.
Auf Anweisung von Mbembelé hatten die Frauen des Dorfes die Hochzeit des Königs vorbereitet. Der Platz war mit hundert Fackeln und unzähligen Bögen aus Palmwedeln geschmückt, Pyramiden aus Früchten waren aufgeschichtet und ein Bankett bereitet aus allem, was sich finden ließ: Fleisch von Hühnern, Ratten, Echsen, Antilopen, dazu Maniok und Mais. Früh kreisten die Kanister mit dem Palmwein unter den Wachen, aber die übrige Dorfbevölkerung hielt sich an den Rat von Nzés Mutter und trank nicht mit.
~
Alles war bereit für das zweifache Fest: die Hochzeit des Königs und die Übergabe des Elfenbeins. Noch war es nicht dunkel, aberdie Fackeln brannten schon, und die Luft war erfüllt vom Geruch nach gegrilltem Fleisch. Unter dem Baum der Wörter standen in einer Reihe Mbembelés Soldaten und ein Teil von Kosongos jämmerlichem Hofstaat. Die Dorfbewohner hatten sich zu beiden Seiten des Platzes geschart, flankiert von den Wachleuten mit ihren Buschmessern und Knüppeln. Für die Ausländer hatte man kleine Holzbänke in der Nähe des Banketts aufgestellt. Joels Kameras lagen griffbereit, Kate, Alexander und Bruder Fernando hielten die Augen offen, um zu gegebener Zeit in Aktion zu treten. Nur Nadia fehlte.
Auf einem Ehrenplatz unter dem Baum wartete Angie, ein Bild von einer Frau in ihrer neuen Tunika und dem Goldschmuck. Sie wirkte völlig gelassen, obwohl doch an diesem Abend alles Mögliche schief gehen konnte. Als Kate ihr am Morgen ihre Furcht eingestanden hatte, hatte Angie nur gesagt, der Mann, der ihr Angst machen könne, sei noch nicht geboren, und Kosongo werde sie noch kennen lernen. Lachend hatte sie hinzugefügt:
»Bald bietet mir der König alles Gold der Welt, damit ich mich von hier trolle.«
»Sofern er dich nicht den Krokodilen zum Fraß vorwirft«, hatte Kate gemurmelt, die ein einziges Nervenbündel war.
Als die Jäger mit ihren Netzen und Speeren, aber ohne Stoßzähne ins Dorf einzogen, war den Bewohnern von Ngoubé klar, dass das Unheil bereits begonnen hatte und nicht aufzuhalten sein würde. Fast war es, als atmeten die Menschen rings um den Dorfplatz auf, und tatsächlich fühlten sie sich in gewisser Weise erleichtert, denn alles war besser als die wahnsinnige Anspannung, die seit dem Morgen auf ihnen gelastet hatte. Aufgeregt umringten die Wachleute die Pygmäen und warteten auf Befehle, aber der Kommandant war nicht da.
Ein halbe Stunde lang tat sich gar nichts, und die Beklemmung der Umstehenden wurde aufs Neue unerträglich. Mit glasigen Augen ließen die jugendlichen Wachen die Kanister mit dem Palmwein herumgehen und redeten wild durcheinander. Einer der Soldaten der Bruderschaft schnauzte sie an, und sofort stellten sie die Kanister ab und nahmen leicht schwankend Haltung an, aber lang währte die Disziplin nicht.
Endlich kündigte ein martialischer Trommelwirbel das Erscheinen des Königs an. Vorneweg schritt der Königliche Mund in Begleitung eines Wachmanns, der einen Korb voll schwerem Goldschmuck für die Braut trug. Kosongo konnte sich vor den Leuten großzügig zeigen, denn sobald Angie in seinen Harem eingetreten war, hatte er den Schmuck wieder. Hinter den beiden kamen die mit Gold behängten Ehefrauen des Königs und der alte Aufseher mit geschwollenem Gesicht und bloß noch vier wackligen Zähnen im Mund. Der Stimmungswandel unter den Mädchen war augenfällig, sie trotteten nicht mehr daher wie Schafe, sondern glichen eher einer aufgekratzten Herde Zebras. Angie winkte ihnen zu und bekam als Antwort ein breites, erwartungsfrohes Lächeln.
Dem Harem folgten die Träger mit dem Podest, auf dem Kosongo in seinem französischen Sessel thronte. Er war gekleidet wie am ersten Abend und trug diesen pompösen Hut mit dem Perlenvorhang, der sein Gesicht verdeckte. Der Umhang war an einigen Stellen leicht angesengt, aber im Großen und Ganzen gut erhalten. Einzig das Amulett der Pygmäen fehlte am Zepter. An seiner Statt hatte man einen ähnlichen Knochen daran befestigt, der von weitem als das Ipemba-Afua durchgehen konnte. Der König wollte wohl vertuschen, dass man ihm das
Weitere Kostenlose Bücher