Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
anderen erleichtert, denn keiner wollte die Nachtwache mit jemandem teilen, dem schon beim Anblick eines Geckos die Nerven flatterten. Die erste Schicht, für gewöhnlich die angenehmste, weil alle noch wach waren und man noch nicht sehr fror, übernahmen Dr. Omayra Torres, einer der Soldaten und Timothy Bruce, der sich weiter große Sorgen um seinen verletzten Freund machte. Bruce und González hatten viele Jahre zusammengearbeitet und waren fast wie Brüder füreinander. Mit der zweiten Schicht waren ein weiterer Soldat, Alex und Kate Cold an der Reihe, danach für die dritte Matuwe, César Santos und Nadia. Kurz vor Sonnenaufgang sollten zwei Soldaten und Karakawe die Wache übernehmen.
    Alle hatten Mühe einzuschlafen, der arme Joel González stöhnte vor Schmerzen, und der ganze Wald schien von einem beißenden und hartnäckigen Geruch durchdrungen. Es klang ihnen noch in den Ohren, was über die Bestie erzählt wurde, alle Berichte stimmten darin überein, dass man sie an ihrem Gestank erkennen konnte. César Santos meinte zwar, sie hätten ihr Lager wahrscheinlich in der Nähe einer Familie von Iraras aufgeschlagen, einer Art Wiesel, die ein niedliches Gesicht hatten, aber einen Geruch wie Stinktiere verbreiteten. Beruhigen konnte er damit allerdings niemanden.
    »Mir ist schwindelig und speiübel«, bemerkte Alex, käseweiß im Gesicht.
    »Wenn der Geruch dich nicht umbringt, macht er dich härter«, sagte Kate. Sie war die einzige, die der Gestank kalt ließ.
    »Das mieft ja grauenhaft!«
    »Sagen wir, dieser Geruch ist anders. Wahrnehmung ist Geschmackssache, Alexander. Was du abstoßend findest, mag für jemand anderen anziehend sein. Vielleicht verströmt die Bestie diesen Geruch als Lockmittel der Liebe, um ihren Partner zu bezirzen.« Seine Großmutter grinste.
    »Puh! Wie tote Ratte, gemischt mit Elefantenpisse, gammligem Essen und …«
    »Du meinst, wie deine Socken.«
    Beständig hielt sich bei den Expeditionsteilnehmern das Gefühl, von unzähligen Augen im Dickicht beobachtet zu werden. So erleuchtet vom flackernden Schein des Lagerfeuers und von einigen Petroleumlampen, kamen sie sich vor wie auf dem Präsentierteller. Die ersten beiden Nachtstunden verstrichen ereignislos, bis Alex, Kate und einer der Soldaten an der Reihe waren. Alex saß eine Stunde da, betrachtete sich die Dunkelheit und die Lichtspiegelungen auf dem Wasser und bewachte den Schlaf der anderen. Er dachte darüber nach, wie sehr er sich in den paar Tagen verändert hatte. Noch vor kurzem wäre es ihm schwer gefallen, lange Zeit einfach schweigend dazuhocken und seinen Gedanken nachzuhängen, schnell hätten ihm seine Computerspiele, sein Fahrrad oder das Fernsehen gefehlt. Aber hier konnte er sich in den Zustand vollkommener innerer Stille versetzen, den er beim Bergsteigen erreichen sollte. Für die Bergtouren hatte ihm sein Vater als Erstes eingeschärft, dass die Hälfte seiner Kraft verpuffte, solange er angespannt, furchtsam oder überhastet handelte. Einen Berg zu besiegen erforderte innere Ruhe. Er konnte diese Lektion beim Klettern befolgen, in anderen Lebenslagen war sie ihm bisher jedoch zu wenig nütze gewesen. Er merkte, über wie viele Dinge er sich Gedanken machen konnte, aber am häufigsten stand ihm das Bild seiner Mutter vor Augen. Wenn sie starb … Hier brach er immer ab. Er war entschlossen, sich das nicht vorzustellen, denn er wollte das Unglück nicht heraufbeschwören. Stattdessen versuchte er, so zuversichtlich wie möglich an sie zu denken; wenn er sich ganz fest darauf konzentrierte, vielleicht würde ihr das helfen.
    Urplötzlich riss ihn ein Geräusch aus den Gedanken. Da, er hörte es ganz deutlich: ein Riese, der die nahen Büsche niedertrampelte. Etwas in seiner Brust krampfte sich zusammen, und er hatte das Gefühl zu ersticken. Was hätte er darum gegeben, seine Brille wiederzuhaben! Kaum einen Gedanken hatte er an sie verschwendet, seit sie bei Mauro Carías in die Brüche gegangen war, aber in dieser Dunkelheit konnte er rein gar nichts erkennen. Mit beiden Händen umklammerte er die Pistole, das hatte er im Kino gesehen, er durfte einfach nicht so zittern. Was sollte er bloß machen? Jetzt bewegte sich das Unterholz dicht vor ihm, als wäre ein ganzer Trupp von Feinden im Anmarsch, und Alex schrie auf. Der Schrei gellte wie eine Heulboje und riss alle aus dem Schlaf. Im nächsten Augenblick war seine Großmutter bei ihm, ihr Gewehr im Anschlag. Durch das Gebüsch brach der große Schädel

Weitere Kostenlose Bücher