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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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verletzt; er musste den Augenblick abpassen, in dem der Kopf der Anakonda kurz aus dem Schlick auftauchte, und enthauptete sie dann mit einem einzigen sicheren Schnitt. Das Blut quoll ins Wasser und färbte es rostrot. Es dauerte noch ganze fünf Minuten, bis sie die Schlange von dem Fotografen losbekommen hatten, denn sie hielt die Umklammerung aus Reflex bei.
    Sie zogen Joel González ans Ufer, wo er wie tot liegen blieb. Professor Leblanc hatte es jetzt derart an den Nerven, dass er aus sicherer Entfernung Schüsse in die Luft abfeuerte und so die allgemeine Verwirrung und Aufregung noch steigerte, bis Kate Cold ihm die Pistole abnahm und ihm befahl, endlich Ruhe zu geben. Während die anderen mit der Anakonda gekämpft hatten, war Dr. Omayra Torres wieder an Bord geklettert und hatte ihren Arztkoffer geholt, und jetzt kniete sie mit einer Spritze in der Hand neben dem bewusstlosen Mann. Sie handelte wortlos, war die Ruhe selbst, als wäre der Angriff einer Anakonda etwas vollkommen Alltägliches in ihrem Leben. Sie spritzte González Adrenalin, und als sie sicher war, dass er atmete, untersuchte sie ihn gründlich.
    »Einige seiner Rippen sind gebrochen, und er hat einen Schock«,sagte sie. »Wir können nur hoffen, dass seine Lunge nicht durch einen Knochensplitter verletzt und sein Genick nicht gebrochen ist. Wir müssen ihn ruhigstellen.«
    »Wie sollen wir das machen?«, fragte César Santos.
    »Die Indianer nehmen Baumrinde, Lehm und Lianen dazu«, sagte Nadia, die noch immer am ganzen Leib zitterte.
    »Sehr gut, Nadia.« Die Ärztin nickte ihr aufmunternd zu.
    Der Führer gab die notwendigen Anweisungen, und wenig später hatte die Ärztin mit Unterstützung von Kate und Nadia den Verwundeten von der Hüfte bis zum Hals mit Stoffbahnen umwickelt, die sie zuvor in feuchtem Lehm getränkt hatten, darüber legten sie eine Schicht aus langen Rindenstreifen, und am Ende wurde alles zusammengeschnürt. Sobald der Lehm trocken war, würde dieses primitive Paket die gleiche Wirkung haben wie ein moderner orthopädischer Stützverband. Benommen und von Schmerzen gequält, ahnte Joel González noch nicht, was vorgefallen war, aber er war wieder bei Bewusstsein und konnte ein paar Worte sagen.
    ~
    »Wir müssen Joel sofort nach Santa María de la Lluvia bringen. Von dort aus kann er notfalls mit der Maschine von Mauro Carías in ein Krankenhaus geflogen werden«, entschied die Ärztin.
    »Was für ein schreckliches Missgeschick! Wir haben nur zwei Boote. Wir können nicht eins davon zurückschicken«, sagte Professor Leblanc.
    »Wie? Gestern wollten Sie eins nehmen und damit abhauen, und jetzt weigern Sie sich, eins mit meinem schwerverletzten Freund zurückzuschicken?« Timothy Bruce hatte alle Mühe, die Ruhe zu bewahren und dem Anthropologen nicht den Schädel einzuschlagen.
    »Ohne angemessene Behandlung kann Joel sterben«, erklärte die Ärztin.
    »Nun übertreiben Sie mal nicht, meine Gute. Dem Mann geht es nicht so schlecht, er hat bloß einen Schock. Ein paar Tage Ruhe, und er ist wieder auf den Beinen«, sagte Leblanc.
    »Sehr mitfühlend von Ihnen, Herr Professor«, knurrte Timothy Bruce und ballte die Fäuste.
    »Genug, meine Herren! Wir entscheiden morgen. Es ist schon zu spät, um aufzubrechen, bald wird es dunkel. Wir sollten hier unser Lager aufschlagen«, beendete César Santos den Wortwechsel.
    Die Ärztin ordnete an, dicht neben dem Verwundeten ein Lagerfeuer zu machen, denn die Nächte waren kalt, und er musste trocken und warm gehalten werden. Sie gab ihm Morphium und verabreichte ihm Antibiotika, um Infektionen vorzubeugen. In einer Flasche mischte sie etwas Wasser mit ein wenig Salz und wies Timothy Bruce an, seinem Freund die Flüssigkeit löffelweise einzuflößen, damit er nicht austrocknete; dass er in den nächsten Tagen keine feste Nahrung würde schlucken können, war offensichtlich. Der englische Fotograf, der selten anders dreinblickte als ein unerschütterlicher Gaul, war offen besorgt und befolgte die Anweisungen mit mütterlicher Fürsorge. Selbst der übellaunige Professor Leblanc musste sich eingestehen, dass es Gold wert war, die Ärztin dabeizuhaben.
    Unterdessen hatten drei der Soldaten und Karakawe die tote Anakonda ans Ufer geschleift. Sie maßen nach: Die Schlange war fast sechs Meter lang. Professor Leblanc wand sie sich um den Oberkörper und drängte Timothy Bruce, ein Foto von ihm zu machen, auf dem man nicht erkennen konnte, dass ihr der Kopf fehlte. Danach zogen die

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