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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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eines Tieres, sie kniffen die Augen zusammen. Es war ein Pekari, ein Wildschweinkeiler mit beachtlichen Eckzähnen. Starr vor Schreck, rührten sie sich nicht von der Stelle, und das war ihre Rettung, denn, genau wie Alex, sah auch das Tier im Dunkeln schlecht. Zum Glück hatten sie den Wind im Gesicht, und es konnte ihre Witterung nicht aufnehmen. César Santos war als Erster aus seiner Hängematte geglitten, blinzelte und versuchte, die Lage zu peilen.
    »Keiner bewegt sich«, raunte er ganz leise, um das Wildschwein nicht aufzuscheuchen.
    Das Fleisch des Pekaris ist ein Leckerbissen, und sie hätten mehrere Tage schlemmen können, aber zum Schießen war es nicht hell genug, und keiner wollte Kopf und Kragen riskieren und mit der Machete in der Hand losstürmen. In aller Ruhe spazierte das mächtige Tier zwischen den Hängematten herum, schnüffelte an den Essensvorräten, die zum Schutz gegen Ratten und Ameisen an Seilen über dem Boden baumelten, und zu guter Letzt steckte es den Rüssel in das Zelt von Ludovic Leblanc, dem vor Schreck fast das Herz stehen blieb. Da war nichts zu machen, sie konnten nur abwarten, bis es ihrem dickleibigen Besucher im Lager langweilig wurde und er sich wieder verzog, wobei er so dicht an Alex herankam, dass der nur hätte die Hand ausstrecken müssen, um die gesträubten Borsten zu berühren. Als die Spannung von ihnen abfiel und sie schon Witze darüber rissen, kam sich Alex albern vor, weiler so gebrüllt hatte, aber César Santos versicherte ihm, so sei es richtig gewesen. Noch einmal schärfte er allen die Regeln für den Notfall ein: Sich ducken und schreien, dann erst schießen. Er hatte es noch nicht ausgesprochen, da fiel ein Schuss: Zehn Minuten nachdem die Gefahr gebannt war, ballerte Ludovic Leblanc in die Luft. Dieser Revolverheld von einem Professor hatte tatsächlich nervöse Zuckungen, wie Kate Cold behauptete.
    Als die Nacht kälter und schwärzer geworden war, übernahmen César Santos, Nadia und einer der Soldaten die Wache. Der Führer hatte seine Tochter, die mit Borobá im Arm fest schlief, erst gar nicht wecken wollen, aber er kannte sie gut genug und wusste, sie hätte ihm das sehr krumm genommen. Nadia verscheuchte den Schlaf mit ein paar Schluck stark gezuckertem schwarzem Kaffee und mummelte sich so gut es ging in zwei T-Shirts, ihre eigene Jacke und die ihres Vaters. Von seiner Hängematte aus konnte Alex sehen, wie sie sich im schwachen Schein des Lagerfeuers für die Wache bereit machte, und obwohl er bisher nur zwei Stunden geschlafen hatte und sehr müde war, stand er wieder auf, um ihr Gesellschaft zu leisten.
    »Keine Angst, mir passiert schon nichts. Ich habe doch den Talisman, der beschützt mich«, flüsterte Nadia.
    »Geh wieder in deine Hängematte«, sagte César Santos. »Wir brauchen alle unseren Schlaf, dafür ist die Wachablösung schließlich da.«
    Alex fügte sich widerwillig und war entschlossen, wach zu bleiben, aber daraus wurde nichts, weil ihm fast sofort die Augen zufielen. Er hätte nicht sagen können, wie lange er geschlafen hatte, aber bestimmt mehr als zwei Stunden, denn als er von dem Lärm ringsum hochschreckte, war Nadias Schicht schon seit einer Weile vorbei. Noch dämmerte es kaum, milchiger Morgennebel stieg vom Boden auf, und es war lausig kalt, dennoch waren alle schon auf den Beinen. Dick, dass man ihn hätte schneiden können, hing der Gestank in der Luft.
    »Was ist los?« Noch schlaftrunken kugelte Alex aus der Hängematte.
    »Niemand verlässt das Lager, auf gar keinen Fall! Werft mehr Holz aufs Feuer!«, befahl César Santos, der sich ein Tuch vorsGesicht gebunden hatte und mit dem Gewehr in der einen und einer Taschenlampe in der anderen Hand in dem trüben Nebel stocherte, der durch den Wald waberte.
    ~
    Hastig bestückten Kate, Nadia und Alex das Lagerfeuer mit mehr Brennholz, und dadurch wurde es ringsum ein bisschen heller. Es war Karakawe gewesen, der Alarm geschlagen hatte: Einer der beiden Soldaten, die mit ihm Wache hielten, war verschwunden. César Santos feuerte zweimal in die Luft und rief nach ihm, aber es kam keine Antwort, und deshalb machte er sich mit Timothy Bruce und zwei Soldaten auf die Suche und ließ den Rest der Gruppe mit Pistolen bewaffnet beim Feuer zurück. Alle sollten seinem Beispiel folgen und sich Tücher umbinden, damit sie halbwegs atmen konnten. Die Wartenden zählten die Minuten, keiner sagte ein Wort. Um diese Zeit erwachten normalerweise in den Baumkronen die Affen, die

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