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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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sich anhörten wie kläffende Hunde, wenn sie mit ihrem Gekeife den neuen Tag begrüßten, aber an diesem Morgen herrschte eine Stille, dass einem die Haare zu Berge standen. Alle Tiere hatten Reißaus genommen. Plötzlich krachte ein Schuss, und sie hörten César Santos rufen und gleich darauf die anderen Männer. Timothy Bruce kam atemlos angerannt: Sie hatten den Soldaten gefunden.
    Der Mann lag bäuchlings im Farnkraut. Sein Gesicht aber starrte nach oben, als hätte eine mächtige Hand seinen Kopf um hundertachtzig Grad gedreht und ihm dabei alle Halswirbel gebrochen. Seine Augen waren weit aufgerissen und seine Züge zu einer Grimasse vollkommenen Grauens verzerrt. Sie drehten ihn um: Brustkorb und Bauch waren aufgeschlitzt wie von großen Klauen. Über seinen ganzen Körper krabbelten kleine Insekten, so etwas wie Zecken und winzige Käfer. Dr. Omayra Torres sprach aus, was alle wussten: Der Mann war tot. Timothy Bruce rannte seine Kamera holen, um das Geschehene zu dokumentieren, und César Santos sammelte in einem Plastiktütchen etwas von diesem Getier ein; er würde es Pater Valdomero in Santa María de la Lluvia geben, denn der kannte sich mit Insekten aus, er besaß eineSammlung der Arten, die in der Gegend vorkamen, und wusste vielleicht, was das zu bedeuten hatte. Hier war der Gestank fast nicht auszuhalten, und es kostete sie fürchterliche Überwindung, nicht das Weite zu suchen.
    César Santos schickte einen der Soldaten zurück zu Joel González, den sie allein im Lager gelassen hatten, und wies Karakawe und einen weiteren Soldaten an, die nähere Umgebung zu durchkämmen. Matuwe starrte die Leiche an, als sähe er ein Gespenst; er war aschfahl geworden. Nadia presste sich an ihren Vater und barg das Gesicht an seiner Brust, um den widerlichen Anblick nicht ertragen zu müssen.
    »Die Bestie!«, stieß Matuwe hervor.
    »Von wegen Bestie, Mann, das waren die Indianer.« Kreidebleich stand Leblanc da, ein in Kölnischwasser getränktes Taschentuch in der einen zittrigen Hand, in der anderen eine Pistole.
    Jetzt wich der Professor ein wenig zurück, stolperte und saß gleich darauf mit dem Hintern im Matsch. Er zeterte und wollte sich aufrappeln, aber mit jedem Ruck glitschte er tiefer und tiefer und wälzte sich in einer dunklen Masse, die weich war, mit Brocken drin. Der grauenvolle Gestank sagte alles: Das hier war kein Lehm, der berühmte Anthropologe steckte im wahrsten Sinne des Wortes von Kopf bis Fuß in der Kacke. César Santos und Timothy Bruce streckten ihm einen Ast entgegen, an dem er sich festklammern konnte, und als sie ihn herausgezogen hatten, begleiteten sie ihn in gebührendem Anstand, um bloß nicht mit ihm in Berührung zu kommen, zum Fluss. Leblanc blieb nichts anderes übrig, als sich eine Weile gründlich zu wässern, schlotternd vor Pein, vor Kälte, Angst und Wut. Karakawe, sein persönlicher Gehilfe, weigerte sich rundweg, ihn einzuseifen oder seine Kleider auszuwaschen, und obwohl allen flau zumute war, mussten sie sich auf die Zunge beißen, denn am liebsten hätten sie völlig hysterisch losgelacht. Allen ging das Gleiche durch den Kopf: Das Wesen, das einen solchen Kothaufen produziert hatte, musste groß sein wie ein Elefant.
    »Wer immer das hier angerichtet hat, ich bin mir fast sicher, es stammt von einem Allesfresser: Pflanzen, Früchte und ein bisschen rohes Fleisch«, sagte die Ärztin, die sich ebenfalls ein Tuchüber Nase und Mund gebunden hatte und nun unter einer Lupe ein bisschen von der dunklen Masse in Augenschein nahm.
    Unterdessen krochen Kate Cold und ihr Enkel auf allen vieren herum und untersuchten den Boden und das umstehende Dickicht.
    »Kate, sieh mal hier, geknickte Äste! Und da sind die Büsche niedergetrampelt, wie von Riesenpranken. Hier hängen auch ein paar schwarze Borsten …«
    »Vielleicht von dem Wildschwein.«
    »Und alles voll mit diesen komischen Käfern und Zecken, wie bei dem Toten. Die habe ich noch nie gesehen.«
    ~
    Als es Tag geworden war, wickelten César Santos und Karakawe den toten Soldaten in eine Hängematte und hängten ihn, so hoch sie konnten, in einen Baum. Der Professor war ein einziges Nervenbündel, sein rechtes Augenlid zuckte, und seine Knie zitterten, aber er war entschlossen, eine Entscheidung zu fällen. Schließlich, sagte er, schwebten sie alle in Lebensgefahr, und deshalb würde er, als Verantwortlicher der Expedition, die Anweisungen geben. Der Mord an dem ersten Soldaten bestätige seine Theorie, dass die

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