Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
schweißtreibend. Alle wechselten sich mit dem Spaten ab, außer Nadia und Leblanc, denn das Mädchen lehnte es ab, einem Lebewesen wehzutun, und der Professor klagte über Rückenschmerzen. Vermutlich hatte der sich die Bodenverhältnisse etwas anders vorgestellt, als er Tausende von Meilen entfernt gemütlich an seinem Schreibtisch saß und diese Falle entwarf. Unter einer dünnen Humusschicht kam ein Knäuel von Wurzeln zum Vorschein, dann eine Tonschicht, die glitschig war wie Seife, und mit jedem Spatenstich stieg das rötliche Wasser in der Grube, in der mittlerweile alles erdenkliche Getier schwamm. Schließlich gaben sie es auf. Alex schlug vor, die Netze mit einem Seilsystem in den Bäumen zubefestigen und einen Batzen Fleisch darunter zu platzieren; näherte sich die Bestie, um an den Köder zu kommen, löste sie dadurch sofort den Alarm aus, und die Netze fielen herunter. Alle außer Leblanc meinten, dass es theoretisch funktionieren könnte, aber müde, wie sie waren, wollten sie es nicht mehr ausprobieren, und das Projekt wurde bis zum nächsten Morgen vertagt.
    »Ich hoffe, deine Idee taugt nicht, Jaguar«, sagte Nadia.
    »Aber die Bestie ist doch gefährlich.«
    »Und was machen sie mit ihr, wenn sie sie fangen? Sie töten? Sie in Scheiben schneiden, um sie zu erforschen? Sie für den Rest ihres Lebens in einen Käfig sperren?«
    »Hast du vielleicht eine bessere Idee?«
    »Mit ihr reden und sie fragen, was sie will.«
    »Genial! Wir könnten sie einladen, den Tee mit uns zu nehmen …«
    »Alle Tiere können sich verständigen.«
    »Du hörst dich ja an wie meine Schwester Nicole, aber die ist erst neun.«
    »Da kann man mal sehen: Die hat mit neun mehr Grips als du mit fünfzehn.«
    Eigentlich war die Stelle, an der sie lagerten, sehr schön. Der Ufersaum war zwar ein einziges Pflanzengestrüpp, nach einigen Metern lichtete es sich aber, und der Wald erhob sich zu majestätischer Größe. Wie Säulen trugen die hohen, ebenmäßigen Stämme der Bäume das Gewölbe dieser prächtigen grünen Kathedrale. Von den Ästen hingen Orchideen und andere Blüten, und ein Teppich aus schimmernden Farnen bedeckte den Boden. So viele unterschiedliche Tiere lebten hier, dass es nie still war, von Sonnenaufgang bis spät in die Nacht hinein hörte man das Krächzen der Tukane und Papageien; mit Einbruch der Dunkelheit setzten das Froschkonzert und das Lärmen der Brüllaffen ein. Aber es war ein trügerisches Paradies: Wer sich hier nicht auskannte, war verloren, denn man musste riesige Entfernungen überwinden, wollte man dieser absoluten Einsamkeit entkommen. Nach Meinung von Leblanc – und in diesem Punkt stimmte ihm César Santos zu – brauchten sie die Hilfe der Indianer, um weiterzukommen. Sie mussten sie irgendwie anlocken. Vor allem Dr. Omayra Torresdrängte darauf, denn sie wollte ihre Aufgabe erfüllen, die Impfungen durchführen und ein System der Gesundheitsversorgung aufbauen.
    »Ich glaube nicht, dass dir die Indianer freiwillig den Arm hinhalten, damit du sie piekst, Omayra. Sie haben noch nie im Leben eine Nadel gesehen.« César Santos lächelte. Er und die Ärztin waren auf der gleichen Wellenlänge und behandelten einander schon wie alte Freunde.
    »Wir sagen ihnen einfach, dass es ein mächtiger Zauber der Weißen ist.« Sie zwinkerte ihm zu.
    »Was ja auch völlig den Tatsachen entspricht«, bestätigte César Santos.
    ~
    Der Führer wusste, dass es in dieser Gegend etliche Stämme gab, die sicher schon einmal, wenn auch kurz, mit der Außenwelt in Berührung gekommen waren. Auf früheren Erkundungsflügen hatte er einige Schabonos entdeckt, aber da er hier nirgends hatte landen können, musste er sich damit begnügen, sie auf seiner Karte einzuzeichnen. Die Gemeinschaftshütten, die er gesehen hatte, waren eher klein, also lebten dort wahrscheinlich nur wenige Familien. Professor Leblanc, der mit seiner Expertenmeinung nie hinterm Berg halten konnte, erklärte, in einem Schabono würden selten mehr als zweihundertfünfzig Personen wohnen, aber fünfzig müssten es mindestens sein: Eine kleinere Gruppe könnte sich schließlich nicht gegen feindliche Angriffe behaupten. César Santos vermutete auch ganz abgeschieden lebende Stämme hier, die noch nie jemand zu Gesicht bekommen hatte, und auf die hoffte auch die Ärztin, aber wie sollten sie ohne Flugzeug zu ihnen gelangen? Sie würden in die Waldgebiete auf der Hochebene vordringen müssen, in die verwunschene Region der Wasserfälle, und vor

Weitere Kostenlose Bücher