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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Erde einen Sturm der Entrüstung auszulösen.
    Alex musste wieder daran denken, wie wichtig die Impfungenvon Dr. Omayra Torres waren und dass durch die Reportage seiner Großmutter im International Geographic die Leute in anderen Ländern auf die Lage der Indianer aufmerksam gemacht werden konnten. Was hatten diese drei Kristalleier, die Nadia in ihrer Vision gesehen hatte, mit der ganzen Sache zu tun? Warum waren sie mit dem Schamanen auf diese Reise gegangen? Es wäre doch viel sinnvoller gewesen, zur Expedition zurückzukehren, die Impfungen durchzuführen und seine Großmutter ihren Artikel schreiben zu lassen. Iyomi hatte ihn zum Häuptling ernannt, um »mit den Nahab und ihren Vögeln, die Donner und Wind machen, zu verhandeln«, und stattdessen entfernte er sich bloß immer weiter von der Zivilisation. Da steckt nicht die geringste Logik dahinter, dachte er stirnrunzelnd. Vor ihm ragten geheimnisvoll und einsam die Tepuis auf wie Bauwerke von einem anderen Planeten.
    ~
    Die drei Reisenden wanderten zügig von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang und hielten nur hin und wieder an einem Bachlauf an, um ihre müden Füße zu erfrischen und Wasser zu trinken. Einmal versuchte Alex einen Tukan zu erlegen, der wenige Meter entfernt auf einem Ast saß und döste, aber der Pfeil ging daneben. Dann zielte er auf einen Affen, der so nah war, dass Alex sein gelbes Gebiss sehen konnte, aber auch diesmal traf er nicht. Der Affe ahmte ihn nach und schnitt Grimassen, und Alex fühlte sich verhohnepipelt. Das hatte er nun von seinen schönen neuen Waffen des stolzen Kriegers; bloß gut, dass seine Begleiter nicht auf ihn angewiesen waren, um satt zu werden, andernfalls wären sie verhungert. Walimai zeigte ihnen einen Baum mit leckeren Nüssen und einen, dessen Früchte so hoch hingen, dass Alex nicht drankam.
    Im Dorf hatte er sehen können, wie behände die Indianer die glattesten Stämme hinaufkamen, denn ihre Zehen standen weit auseinander und waren stark und biegsam. Obwohl diese Füße so schwielig waren wie Krokodilhaut, schienen sie auch sehr empfindlich zu sein: Einer hatte sogar Körbe und Seile mit den Füßen geflochten. Und die Kleinkinder, die kaum laufen konnten,kraxelten in den Baumkronen herum, aber er selbst schaffte es trotz seiner Erfahrung im Bergsteigen nicht auf diesen Baum. Walimai, Nadia und Borobá lachten Tränen über seine hilflosen Versuche, und keiner der drei zeigte auch nur eine Spur von Mitleid, als er aus beträchtlicher Höhe auf den Hintern plumpste, was nicht nur seinem Allerwertesten, sondern auch seinem Stolz einen empfindlichen Stoß gab. Er fühlte sich schwerfällig und plump wie ein Dickhäuter.
    Als es Abend wurde, ließ Walimai sie am Ufer eines Flusses rasten. Er selbst watete bis zu den Knien ins Wasser und blieb dort so lange reglos stehen, bis die Fische ihn vergessen hatten und um ihn herumschwammen. Als einer in Reichweite kam, spießte er ihn mit seiner kurzen Lanze auf und überreichte Nadia den schönen, silbrig glänzenden Fisch, der noch mit der Schwanzflosse schlug.
    »Wie macht er das bloß?«, fragte Alex, noch ziemlich frustriert von seinen eigenen gescheiterten Jagdversuchen.
    »Er bittet den Fisch um Erlaubnis und erklärt ihm, dass er ihn töten muss, weil er etwas zu essen braucht; und danach bedankt er sich bei ihm dafür, dass er sein Leben für uns gegeben hat«, sagte Nadia. »Der Fisch versteht das, weil er vorher selbst andere Fische gefressen hat, und jetzt ist er an der Reihe. So läuft das.«
    Der Schamane entfachte ein kleines Feuer, über dem sie den Fisch braten konnten, trank aber selbst nur etwas Wasser, während sich Nadia und Alex hungrig über das Abendessen hermachten. Damit sie nicht zu sehr froren, rollten sich die beiden zum Schlafen zwischen den kräftigen Wurzeln eines Baumes zusammen, denn es war schon zu spät, um aus Baumrinde Hängematten herzustellen, wie sie das im Dorf gesehen hatten; sie waren erschöpft, und am nächsten Morgen würden sie ihre Reise in aller Frühe fortsetzen. Jedes Mal, wenn einer der beiden sich umdrehte, rutschte der andere wieder so dicht wie möglich an ihn heran, so hielten sie sich die Nacht über warm. Bevor sie einschliefen, sahen sie, dass der alte Walimai reglos dahockte und die Sterne betrachtete, während seine Ehefrau wie eine durchsichtige Fee in einem Gewand aus dunklem Haar um ihn herumschwebte. Am nächsten Morgen saß der Indianer noch genauso da: völlig unempfindlich gegen Kälte und Müdigkeit.

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