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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Spuren zu hinterlassen, sondern auch unzählige Arzneipflanzen. Alex beschrieb ihm die Krankheit seiner Mutter und fragte, ob er irgendeine Pflanze kenne, die ihr helfen könne.
    »Eine heilige Pflanze, die mit dem Wasser des Lebens vermischt werden muss«, antwortete der Schamane.
    »Kann ich dieses Wasser und die Pflanze bekommen?«
    »Kann sein, kann auch nicht sein. Viele Hürden sind zu nehmen.«
    »Ich mache alles dafür, bestimmt!«
    Am nächsten Tag hatte Alex zwar überall blaue Flecken, und jeder Ameisenbiss prangte als kleiner, roter Kirschkern auf seinem linken Unterarm, aber er konnte aufstehen und war hungrig. Als er Nadia erzählte, was er erlebt hatte, meinte sie, die Mädchen des Stammes bräuchten keinen Initiationsritus; sie wüssten, wann ihre Kindheit vorbei ist, weil ihr Körper ihnen durch die Blutung ein Zeichen gibt.
    An diesem Tag hatten Tahama und seine Begleiter kein Jagdglück gehabt, und der Stamm musste sich mit Mais und ein paar Fischen begnügen. Alex dachte, er könne dem Fisch ja mal eine Chance geben, immerhin hatte er auch schon verkohlte Anakonda überlebt, also würden die Schuppen und Gräten ihm wohl nichts anhaben. Es schmeckte ihm wider Erwarten gut. Da hab ich mir wohl in den letzten fünfzehn Jahren einiges durch die Lappen gehen lassen, sagte er schmatzend. Nadia meinte, er solle ordentlich reinhauen, sie würden am nächsten Tag mit Walimai zu einer Reise in die Welt der Geister aufbrechen, wo es vielleicht keine Nahrung für hungrige Mägen gebe.
    »Walimai sagt, wir gehen zum heiligen Berg, wo die Götter wohnen.«
    »Was sollen wir da?«
    »Die drei Eier aus Kristall suchen, die ich in meiner Vision gesehen habe. Walimai glaubt, dass sie die Nebelmenschen retten können.«
    Am nächsten Morgen, kaum zeigte sich der erste Lichtschein am Horizont, brachen sie auf. Walimai ging vorneweg, begleitet von seiner schönen Engel-Ehefrau, die ihn manchmal bei der Hand nahm und dann wieder wie ein Schmetterling über seinem Kopf schwebte, immer wortlos und lächelnd. Stolz trug Alex Pfeil und Bogen, seine neuen Waffen, die er von Tahama nach der bestandenen Probe erhalten hatte. Iyomi hatte Nadia eine Kalebasse mit Bananensuppe und ein paar Maniokfladen für die Reise mitgegeben. Der Zauberer brauchte keine Verpflegung, weil man, wieer sagte, in seinem Alter nur wenig esse. Er schien gar kein Mensch zu sein: Alles, was er zu sich nahm, waren ein paar Schlucke Wasser und einige Nüsse, an denen er mit seinem zahnlosen Mund endlos lang herumsuckelte; er schlief kaum und hätte ohne Mühe weiterwandern können, wenn Nadia und Alex schon vor Müdigkeit nur noch vorwärts stolperten.
    Sie gingen über die bewaldete Hochebene auf den höchsten der Tepuis zu, einen schwarzen, wie Obsidian schimmernden Felsklotz. Alex sah hin und wieder auf den Kompass und stellte fest, dass sie immer nach Osten gingen. Es gab keinen sichtbaren Weg, aber Walimai führte sie mit einer solchen Selbstverständlichkeit, richtete sich nach den Bäumen, den Tälern, Hügeln, Flüssen und Wasserfällen, als hätte er eine Landkarte vor sich.
    Im Verlauf ihrer Wanderung änderte sich die Landschaft. Walimai ließ den Blick schweifen und sagte, dies sei das Reich der Mutter allen Wassers , und tatsächlich gab es hier eine Überfülle an Wasserfällen und Kaskaden. Bis hierher waren die Garimpeiros auf ihrer Suche nach Gold und Diamanten noch nicht gelangt, aber das war nur noch eine Frage der Zeit. Normalerweise kämpften sie sich in kleinen Trupps zu viert oder fünft zu Fuß durch das unwegsame Gelände oder fuhren in Kanus die Flüsse hinauf, denn sie waren zu arm, um sich ein Flugzeug oder einen Hubschrauber leisten zu können. Aber es gab ja auch Leute wie Mauro Carías, die um den großen Reichtum der Region wussten und über moderne Transportmittel verfügten. Lediglich die neuen Gesetze zum Schutz der Umwelt und der indianischen Bevölkerung hinderten diese Leute daran, die Erze mit mächtigen Druckwasserkanonen aus dem Boden zu schwemmen, wobei die Bäume in Kleinholz und der Wald in eine Schlammwüste verwandelt wurden. An die Umweltauflagen hielt sich zwar sowieso keiner, aber mit den Gesetzen zum Schutz der Indianer war das schon etwas anderes, weil sich die Weltöffentlichkeit für die Amazonasindianer interessierte, die als eine Art letzte Überlebende aus der Steinzeit angesehen wurden. Man konnte sie nicht mehr so einfach niedermetzeln wie noch vor wenigen Jahren, ohne in vielen Ländern der

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