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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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bohrte sich der brennende Schmerz durch ihn hindurch wie ein Schwert, trat in seinem Rücken wieder aus, und es war ein Wunder, aber er konnte ihn aushalten. Für dieses Gefühl von Macht, das er nun empfand, würde Alex niemals Worte finden. Er war so stark und unbesiegbar wie der schwarze Jaguar, in den er sich zwei Tage zuvor durch Walimais Zaubertrank verwandelt hatte. Das war seine Belohnung dafür, dass er die Probe überstanden hatte. Er wusste, seine Kindheit lag wirklich hinter ihm, und von nun an würde er auf sich selbst aufpassen können.
    »Willkommen unter den Männern«, sagte Tahama, während er den Schlauch von Alex’ Arm zurückzog.
    Alex war fast nicht mehr bei Bewusstsein, als ihn die Krieger ins Dorf zurückbrachten.

DREIZEHNTES KAPITEL
Der heilige Berg
    Schweißgebadet, mit schmerzenden Gliedern und fiebrig, lief Alexander Cold, Jaguar, über einen langen, grün gestrichenen Flur, trat durch einen Alu-Türrahmen und sah seine Mutter. Sie lehnte zwischen Kissen in einem Sessel, ein Laken über den Knien, in einem Raum, so fahl erleuchtet wie vom Schein des Mondes. Unter ihrer blauen Wollmütze lugten keine Haare hervor, sie trug einen Kopfhörer, sah sehr bleich und abgemagert aus, und dunkle Schatten lagen um ihre Augen. In einer Vene unterhalb ihres Schlüsselbeins steckte eine dünne Kanüle, durch die eine gelbe Flüssigkeit aus einer Glasflasche sickerte. Wie das Feuer der Ameisen drang sie Tropfen für Tropfen direkt in das Herz seiner Mutter.
    Tausende Meilen entfernt, in einem Krankenhaus in Texas, bekam Lisa Cold ihre Chemotherapie. Sie verscheuchte die Gedanken an das Medikament, das da wie ein Gift in ihre Adern drang, um das schlimmere Gift ihrer Krankheit zu bekämpfen. Sie musste sich ablenken, lauschte auf jeden Ton des Flötenkonzerts, das sie hörte, das gleiche, das ihr Sohn so häufig geübt hatte. Im selben Moment, als Alex mitten im Urwald im Fieber von ihr träumte, sah Lisa Cold ihren Sohn ganz deutlich vor sich. Er stand im Türrahmen ihres Zimmers, war größer und kräftiger, reifer und hübscher, als sie ihn in Erinnerung hatte. In Gedanken hatte Lisa ihn so oft gerufen, dass sie nicht erstaunt war, ihn nun plötzlich vor sich zu haben. Sie fragte sich nicht, wie das sein konnte oder warum er hier war, fühlte sich nur unendlich glücklich, ihn bei sich zu haben. Alexander … Alexander … , rief sie ihn leise. Sie streckte die Hände nach ihm aus, und er kam zu ihr, bis er sie berühren konnte, kniete sich neben den Sessel und legte seinen Kopf auf ihre Knie. Während Lisa Cold ein ums andere Mal den Namen ihres Sohnes flüsterte und Alex den Nacken kraulte, hörte sie zwischen den hellen Klängen des Flötenkonzerts, wie er sagte, sie dürfe nicht aufgeben, müsse weiter gegen den Tod kämpfen und auch immer wieder: Ich hab dich lieb, Mama.
    Ob es nur ein Augenblick oder viele Stunden gewesen waren, die Alex und seine Mutter miteinander verbrachten, hätte keiner von beiden sagen können. Doch als sie sich schließlich voneinander verabschiedeten und jeder in seine eigene Wirklichkeit zurückkehrte, fühlten sich beide gestärkt. Wenig später betrat John Cold das Krankenzimmer seiner Frau und wunderte sich, dass sie lächelte und ihre Wangen ein bisschen gerötet waren.
    »Wie fühlst du dich, Lisa?« Er beugte sich fürsorglich zu ihr hinunter.
    »Ich bin froh, John. Alex hat mich besucht.«
    »Lisa, was redest du da …? Alexander ist mit meiner Mutter am Amazonas, weißt du das nicht mehr?«, fragte er leise und konnte seine Angst davor, welche Wirkung die Medikamente auf das Gedächtnis seiner Frau hatten, nur schwer verbergen.
    »Doch, ich weiß, aber er war trotzdem eben noch hier.«
    »Das geht doch nicht …«
    »Er ist gewachsen und sieht kräftiger aus, aber sein linker Arm ist ganz dick geschwollen …«, erzählte sie und schloss die Augen, denn sie war sehr müde.
    Mitten in Südamerika, im Auge der Welt, erwachte Alex aus dem Fieber. Er brauchte einen Moment, bis er das Mädchen mit der goldschimmernden Haut wiedererkannte, das sich zu ihm hinunterbeugte und ihm Wasser gab.
    »Jetzt bist du ein Mann, Jaguar«, sagte Nadia lächelnd und erleichtert, ihn wieder unter den Lebenden zu sehen.
    ~
    Walimai stellte eine Paste aus Heilkräutern her und rieb Alex den Arm damit ein, wodurch nach wenigen Stunden das Fieber verschwand und die Schwellung zurückging. Der Schamane erklärte ihm, dass es im Urwald nicht nur viele Gifte gab, die töteten, ohne

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