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Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Titel: Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Hasselbach , Winfried Bonengel
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natürlich auch für alle Bewohner der Weitlingstraße 122 und vor allem für die Mitglieder der »Nationalen Alternative« eine Pflichtveranstaltung.
    Am Vorabend wußte noch niemand, wie wir nach Halbe gelangen sollten, aber einer der Skinheads sagte mir, daß ich mich nicht verrückt machen soll: »Ich habe mich schon um alles gekümmert. Seid einfach alle um acht vor dem Haus, dann werdet ihr schon sehen.« Also warteten am nächsten Morgen dreißig zu dieser frühen Stunde schon leicht alkoholisierte Neonazis auf ihren »Reiseleiter«. Und tatsächlich fuhr fünf nach acht der Skinhead mit einem alten Omnibus vor und hielt direkt vor der Weitlingstraße 122. Ich wunderte mich, daß wir alle durch die Fahrertür einsteigen mußten. Alle anderen Türen dieses Vehikels ließen sich nicht öffnen. Ich fragte den glatzköpfigen Fahrer: »Was ist das für ein Bus? Wieso gehen die anderen Türen nicht auf?« Der Skin erzählte mir eine vollkommen unglaubwürdige Geschichte, aus der nur soviel hervorging, daß der Bus, dessen Aufschrift ihn als Eigentum irgendeines VEB auswies, ohne jeden Zweifel gestohlen war. Wir fuhren trotzdem los.
    Es wurde erst einmal Geld gesammelt und zur nächsten Tankstelle gefahren, wo der Fahrer mit einem Brecheisen den Tankverschluß aufbrach. In der Zwischenzeit deckten sich die Glatzen mit ausreichend Dosenbier ein. Auch der Tankwart wunderte sich, daß alle durch die Fahrertür aus-und auch wieder einstiegen. Dann ging die Fahrt gemütlich in Richtung Halbe. Kurz bevor wir die Autobahn verließen, hielten wir nochmals an einem Parkplatz an. Dort sahen wir, wie ein Pole gerade aus seinem Kleinwagen stieg und zwischen den Bäumen verschwand, um auszutreten. Ein paar der Skinheads machten sich sofort an seinem Wagen zu schaffen. Einer räumte alles Gepäck in unseren Bus, ein anderer stach die Reifen platt, und ein dritter schlug alle Scheiben kaputt. Im Bus wurde die »Beute« aufgeteilt. Freddy erhielt einen Schlips, den er sich gleich umhängte. Außerdem wurden noch einhundertachtzig amerikanische Dollars »beschlagnahmt«, die beim Kassenwart der »Nationalen Alternative« als »Spende« eingezahlt wurden. Der polnische Autofahrer hatte offenbar in Berlin gerade seine Weihnachtseinkäufe erledigt. Wir aßen seinen ganzen Vorrat an Süßigkeiten auf. Unterwegs wurde ein Teil der potentiellen Beweisstücke einfach aus den Fenstern des fahrenden Busses geworfen.
    Zwanzig Minuten später erreichten wir den Friedhof von Halbe. Mittlerweile waren alle total betrunken. Ich versuchte, den besoffenen Haufen, so gut es ging, zu disziplinieren, war aber selber inzwischen ziemlich blau. Die letzten hundert Meter liefen wir in Viererreihen hintereinander. Die Skinheads grölten irgendwelche Sauflieder, während ich, die schwarzweißrote Fahne in der Hand, vornweg stapfte. Wir trafen auf ungefähr zweitausend Trauergäste, die einen Halbkreis um das Denkmal gebildet hatten. Die Gedenkfeier war bereits im Gange, und wir in unserem Zustand hatten es nicht bemerkt.
    Alle Anwesenden, besonders die älteren, machten ernste Gesichter und wirkten in sich gekehrt. Jetzt sahen sie uns mit entrüsteten Gesichtern an. Ich versuchte, meine Trunkenheit, so gut es ging, zu verbergen. Arnulf Priem, in dessen Nähe wir zu stehen kamen, ging sofort weg und wollte in dieser Situation jeden Kontakt mit uns vermeiden. Meine damalige Freundin stand in einem albernen Dirndl bei der »Deutschen Frauenfront« und schüttelte bei meinem Anblick verständnislos mit dem Kopf.
    Einige meiner Kumpels hatten sogar Bierdosen mit auf den Friedhof gebracht. Ein Mitglied der »Wikingjugend« kam auf mich zu: »Kamerad, Kamerad, Fahnenträger ganz nach vorn zum Denkmal!«
    »Lassen Sie mich lieber mal in Ruhe, ich bleibe jetzt hier bei meiner Truppe«, lallte ich abwehrend. Völlig entrüstet machte der Typ auf dem Absatz kehrt.
    Wir torkelten etwas planlos umher und blieben dann bei den »Vandalen« stehen. Ich merkte, daß auch die Nazirocker alle betrunken waren. Die »Vandalen« tragen zumeist lange Haare und Jeansjacken mit einschlägigen Aufnähern. Wer dort Mitglied werden will, muß ein kompliziertes Aufnahmeverfahren durchlaufen. Die »Vandalen« hatten sich bereits vor mehr als zehn Jahren auf dem Gebiet der DDR konstituiert. Der Chef der »Vandalen« hat ein generelles Presseverbot über die »Vandalen« verhängt, an das sich alle außer ihm selbst halten müssen. Hier in Halbe rissen sie sich zusammen und standen in

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