Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus
zusammentrafen, schlugen wir nieder. Andere drehten sich um und rannten Hals über Kopf einem Polizeiaufgebot in die Arme. Nun schlugen die Polizisten mit ihren Gummiknüppeln zu. Zahlreiche Linksradikale wurden bei dieser Gelegenheit festgenommen.
Nach dem Ende der Demonstration in Wunsiedel, weitere Zwischenfälle gab es nicht, machten wir uns auf die Rückfahrt nach Berlin. Einige Kilometer hinter der Stadt hielten die Busse an. Es war schon ziemlich dunkel geworden. In einiger Entfernung von den Bussen postierten sich mehrere kleine Gruppen von vier, fünf Leuten im Straßengraben längs der Fahrbahn. Es war noch genügend Licht vorhanden, daß man erkennen konnte, wer in den Autos saß. Waren Autonome in den Wagen, wurden sie mit Pflastersteinen beworfen. Mehrere Fahrzeuge hielten an oder landeten im Graben. Unsere Leute rannten hin und bearbeiteten die Insassen mit Baseballkeulen. Vor allem die Hools taten sich wiederum hervor, sie prügelten und plünderten die Autos aus. Einige stellten den geschockten Linksradikalen immer die gleiche Frage: »Habt ihr Koks dabei, ihr könnt uns doch nicht erzählen, daß ihr hier ohne Koks rumfahrt, das könnt ihr uns doch nicht erzählen, wir wissen doch Bescheid.«
Zum Fußballspiel nach Leipzig - ein Toter
Wieder in Berlin, luden mich die Hooligans in der folgenden Zeit häufig zu ihren Parties ein. Für mich war das eine willkommene Abwechslung, ging es doch dort weder um »Parteiarbeit« noch um irgendwelche Ideologie. Mir kam es vor, als hätte ich Ferien.
Im Oktober 1990 überredeten mich die Hools, zu einem Fußballspiel nach Leipzig mitzukommen. Wir trafen uns am Berliner Alex. Dort warteten zehn gemietete Reisebusse auf sechshundert Mitfahrer. Unterwegs machten die Hools ihre scheinbar schon traditionelle Pause auf dem gleichen Rasthof wie immer. Sie stürmten auch diesmal wieder die Kaufhalle und schleppten in die Busse, was nicht niet-und nagelfest war. Sie bildeten sogar eine Kette und gaben gegenseitig in aller Öffentlichkeit die gestohlenen Dinge von Hand zu Hand weiter. Drei Leute vorn Wachschutz versuchten dieses Treiben zu unterbinden: die Hooligans schlugen sie zusammen und warfen sie eine Böschung hinunter.
Als die »Ware« in den Bussen verstaut war, setzten wir die Reise fort. Viele von den Hools waren inzwischen schon stark angetrunken. Am nächsten Parkplatz hielten wir schon wieder an, alle hatten plötzlich Hunger. Hundert Hools bestellten Bratwürste an einer winzigen Imbißbude. Der Besitzer der Bude freute sich über so viel Kundschaft, er brauchte seinen ganzen Vorrat an Würsten auf: »Hoffentlich reichen die, um euch alle satt zu kriegen, Jungens.« Als er dann aber fragte, wer nun die Rechnung bezahle, schmissen alle gemeinsam den ganzen Stand mitsamt dem Verkäufer um. Jonny, der natürlich auch wieder dabei war, schrie: »Den Dreck, den man hier kriegt, den kann ja keiner fressen.« Lachend rannten alle zum Bus, der Verkäufer blieb zwischen seinen Coladosen und all den Bratwürsten unter den Trümmern seiner Bude liegen.
Auf einem Parkplatz in der Nähe von Bitterfeld warteten ungefähr fünfhundert westdeutsche Hools auf uns. Gemeinsam fuhren wir weiter nach Leipzig. Als die meisten dabei waren, sich an den Schaltern des Zentralstadions ganz ordnungsgemäß Karten für das Spiel zu besorgen, begann die Polizei völlig überraschend und ohne Vorwarnung Tränengas und Gummigeschosse auf uns abzufeuern. Dabei wurden einige verletzt.
Offensichtlich wollte die Polizei unter allen Umständen verhindern, daß wir ins Stadion gelangten. Jetzt gingen die ungefähr tausend Hooligans gegen die fünfhundert Polizisten vor. Im Nu entstand eine gewaltige Massenschlägerei. Den Hools gelang es, einen Polizei-LKW zu erobern, mit dem sie auf die Polizeikette zufuhren. Daraufhin zogen sich die Polizisten erst einmal zurück.
Die Hooligans stellten das Fahrzeug mitten auf eine Kreuzung und errichteten so eine Barrikade. Andere schoben einen Trabant neben den Polizei-Laster. Ein Linienbus fuhr auf die Kreuzung und mußte anhalten. Der Fahrer und die Fahrgäste wurden gezwungen auszusteigen. Die deutlich in der Minderzahl befindlichen Polizisten standen in einiger Entfernung und beobachteten fassungslos das Geschehen. Nun zündelte Feuer. Innerhalb weniger Sekunden standen alle drei Autos in hellen Flammen. Jetzt versuchte die Polizei, uns auf den angrenzenden Bahndamm zurückzudrängen. Die Beamten näherten sich langsam bis auf eine Entfernung von
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