Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus
militärischer Ordnung stramm nebeneinander. Dennoch fiel dann eine ihrer Frauen einfach um. Der neben ihr stehende Freund schien das in seinem Zustand gar nicht bemerkt zu haben. Einer der Anführer, der Aufsehen vermeiden wollte, herrschte den langhaarigen Nazirocker an: »Eh, du, deine Olle ist gerade umgefallen!«
»Was soll ich denn machen?« erkundigte sich der Angesprochene bei seinem Anführer.
»Das ist doch deine Alte, oder?« fragte der scharf zurück.
Die Frau lag, ohne daß etwas passierte, am Boden. Dann zog der »Vandale« seine bewußtlose Freundin an den Beinen zur Seite und lehnte sie, die Beine nach oben, an einen Baum. Viele der Anwesenden, die ihrer Kleidung nach aus dem Westen gekommen waren, starrten ungläubig oder empört auf das, was sich vor ihren Augen abspielte. Insbesondere die »Altnazis« waren nach Halbe gekommen, um »ihrer Toten zu gedenken«, und sie konnten natürlich nicht nachvollziehen, daß andere hier waren, um einfach nur auszunüchtern. Ich war ganz froh, daß die Anwesenden jetzt mehr auf die »Vandalen« als auf uns sahen, ich fühlte mich weniger beobachtet.
Der Bundesvorsitzende der »Freiheitlichen Arbeiterpartei«, Friedhelm Busse, den ich unter den Anwesenden erkannte, brachte seine Ablehnung des Verhaltens der »Vandalen« ganz besonders deutlich zum Ausdruck. Busse ist mit fast fünfundsechzig Jahren beinahe im Rentenalter und mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Busse sieht sich selbst als Staatsmann und hatte vor, 1994 ins Europaparlament einzuziehen. »Dann muß man mich endlich wie einen Staatsmann behandeln«, bekennt er öffentlich. Busse läßt sich stets von einem seiner Männer fahren und sitzt dann, wie ein »richtiger Politiker«, immer hinten rechts im Auto. Busse und seine zirka zweihundert Mitglieder nehmen innerhalb der deutschen Naziszene eine Sonderstellung ein. Seine Partei ist weitgehend isoliert, da andere Naziparteien nicht unbedingt mit ihr zusammenarbeiten wollen. So hatten zum Beispiel die ehemaligen Anhänger Michael Kühnens in den letzten Jahren kaum Kontakt zur FAP, Busse hat Kühnen schon mehrfach in der Öffentlichkeit als »schwulen Nestbeschmutzer« bezeichnet. Bei für die Neonazis wichtigen Veranstaltungen wie in Wunsiedel oder Halbe erscheinen dennoch stets auch FAP-Leute, um zumindest nach außen hin Eintracht vorzuspiegeln. Im Frühjahr 1992 hatte mich Busse in meiner Wohnung in der Wotanstraße besucht und mich in seine ebenso hochfliegenden wie unrealistischen Pläne eingeweiht: »Ich werde mit der FAP in Straßburg einziehen!« Mich wollte er für seine Partei gewinnen und zum »Gauleiter« von Berlin machen. In manchen deutschen Städten gibt es inzwischen ziemliche Probleme mit einer für Verwirrung sorgenden Vielzahl von »Gauleitern«. In München gab es bis vor kurzem zum Beispiel nicht weniger als fünf: Die »Nationalistische Front«, der »Nationale Block«, die »Freiheitliche Arbeiterpartei«, der Kühnenflügel und die »Nationale Offensive« hatten jeweils ihren eigenen »Gauleiter«. Und zur gleichen Zeit »feierte« die internationale Presse auch noch den in München residierenden parteilosen Ewalt Althans als neuen Führer aller deutschen Nazis. Das alles trägt natürlich nicht gerade zur besseren Verständigung innerhalb der rechten Szene bei. Dennoch wird von allen »Führern« bei jeder passenden Gelegenheit nach außen Harmonie und geballte Kraft vorgespielt.
Ich war immer froh, wenn diese »offiziellen Veranstaltungen« endlich vorbei waren, und so fuhren wir auch an diesem Tag am Ende des »Heldengedenktages« sofort wieder zurück nach Berlin. Die meisten der mitfahrenden Skinheads soffen im Bus weiter. Nach ein paar Kilometern wurden wir von der Polizei angehalten. Einer der Beamten teilte uns mit, der Bus werde auf der Stelle nach Diebesgut durchsucht. Die Polizisten versuchten vergeblich, die Beifahrertür zu öffnen. Jetzt wußten sie, daß das Fahrzeug geklaut war. Wir mußten alle aussteigen und den Bus stehenlassen. Die Polizisten fanden zahlreiche Gegenstände, die aus dem polnischen Kleinwagen stammten, und manche der Jugendlichen trugen auch noch Kleidungsstücke, die dem Polen gehörten.
Schließlich beschwerte sich der Fahrer des Busses: »Was ist los? Wie kommen wir nach Hause? Was ist mit unserem Bus?«
»Glauben Sie vielleicht, daß wir Sie in einem gestohlenen Fahrzeug weiterfahren lassen?« fragte der Vernehmer
Weitere Kostenlose Bücher