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Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Titel: Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Hasselbach , Winfried Bonengel
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hatte ich noch ein anderes Idol aller deutschen Neonazis kennengelernt. Otto Riehs ist eines der Aushängeschilder innerhalb der Szene. Der Ehrenvorsitzende der Organisation »Deutsches Hessen« fragte mich, ob er, wenn er in Berlin sei, einmal bei mir übernachten könne. Ich versicherte ihm, es sei für mich eine Ehre, ihn zu beherbergen. Ein paar Monate später stand er tatsächlich vor meiner Tür. Unsere Unterhaltung bestand darin, daß er mir unablässig irgendwelche uralten Geschichten aus dem Krieg erzählte, die mich überhaupt nicht interessierten. Abends, vor dem Schlafengehen, tat er sehr geheimnisvoll: »Schau, da steht’s!«
    »Was steht da?« fragte ich.
    »Na, das ist es!«
    Ich begriff noch immer nicht, was er meinte.
    »Das ist mein Ritterkreuz!« sagte er mit Stolz in der Stimme. »Das stelle ich jeden Abend zusammen mit dem Eisernen Kreuz neben mein Bett.« Er redete ohne Ende von seinem Leben im Dienste der nationalen Sache und von seinen Gewohnheiten. Ich hingegen war mit meinen Gedanken bei einer jungen Frau, die mit ihm zusammen gekommen war. Sie hatte sich als Freundin eines anderen Mitglieds der Organisation »Deutsches Hessen« ausgegeben und paßte ganz und gar nicht in das Klischee einer rechtsradikalen Frau.
    Otto Riehs war, soweit ich weiß, nie verheiratet und lebt in seiner Frankfurter Wohnung lediglich mit zwei Riesenschlangen zusammen. Er arbeitet als Taxifahrer, und in seinem Wagen steht auf der Armatur:» Ritterkreuzträger Otto Riehs «. In letzter Zeit wird Riehs immer häufiger mit Kritik konfrontiert, und einige Leute aus der rechten Szene äußern Zweifel an der Tatsache, daß Riehs das Ritterkreuz wirklich erhalten hat, und behaupten, er habe es sich einfach nur irgendwo gekauft. Ich besorgte mir ein Buch, in dem alle Ritterkreuzträger vermerkt sind. Seinen Namen suchte ich darin vergeblich. Der »Ritterkreuzträger« verpaßt nur sehr selten eine Veranstaltung der Neonazis. Dort gibt er jungen Rechtsradikalen Autogramme, erteilt fragwürdige Ratschläge und erzählt mehr oder weniger spannende Kriegsabenteuer.

Reinthaler will mich killen
    Otto Riehs verbrachte nur eine einzige Nacht in meiner Wohnung in der Wotanstraße. Seine attraktive Begleiterin fragte mich, wo sie denn nun schlafen soll. Sie schien sehr enttäuscht davon, daß ich sie im gleichen Zimmer wie den alten Mann einquartierte. Natürlich hätte ich sie viel lieber in mein eigenes Zimmer gebeten, aber das Risiko, daß Riehs etwas bemerken könnte, war zu groß. Ich hatte in der Vergangenheit schon genügend Probleme mit Leuten aus der Szene gehabt, wenn Frauen im Spiel waren. Eines Tages hatte zum Beispiel der Österreicher Günther Reinthaler seine attraktive Freundin Claudia mit in unser Haus in der Weitlingstraße gebracht. Mein bis dahin gutes Verhältnis zu ihm änderte sich daraufhin ziemlich schnell.
    Schon am ersten Abend sah mich Claudia ständig an, und ich erwiderte diskret ihre Blicke, ohne daß Reinthaler etwas bemerkte. Ein paar Tage später traf ich Claudia zufällig in einem Cafe, Ich setzte mich zu ihr, und sie erklärte mir ohne Umschweife, sie wäre in mich verknallt. Also fuhr ich mit Claudia in meine Wohnung in der Wotanstraße, wo ich, ohne lange zu zögern, mit ihr schlief. Am nächsten Tag zog Claudia in der Wotanstraße ein. Erst nach vier Wochen bemerkte Reinthaler, daß seine Freundin nicht mehr mit ihm zusammen war. Natürlich hatte es irgendeiner aus der Weitlingstraße dem Reinthaler gesteckt, was zwischen Claudia und mir los war. Reinthaler, der gerade in Salzburg war, kam sofort nach Berlin. Nach einem kurzen Gespräch drohte er mir Schläge an. »Ich werde mir eine Hand auf den Rücken binden, und dann kann es von mir aus losgehen!« entgegnete ich ihm, auf seinen verkrüppelten Arm anspielend. Er unterließ es, sich mit mir zu schlagen. Am nächsten Tag stellte er Claudia in meiner Gegenwart vor die Wahl: »Entscheide dich augenblicklich zwischen mir und ihm.« Claudia entschied sich, ohne nachzudenken, für mich.
    Reinthaler hatte sich schon vor vielen Jahren in der Szene einen Namen gemacht, als ein Einbrecher in seiner Wohnung auf ein größeres Waffenarsenal gestoßen war. Der brave Einbrecher hatte seinen Fund sofort beim österreichischen Staatsschutz gemeldet.
    Früher einmal hatte mich Reinthaler sogar zu sich nach Salzburg eingeladen. Wir gingen zusammen auf einen von ihm organisierten »Kameradschaftsabend«, er hatte in einer Gaststätte einen ziemlich großen

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