Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus
erste Reaktion, so jemanden aus den Reihen »der Bewegung« auszuschließen.
Aber dazu kam es nicht, denn bis zu meinem unwiderruflichen Ausstieg aus der rechten Szene, an den ich damals noch mit keiner Silbe dachte und den ich aus eigenem Antrieb vollzog, verging noch eine Menge Zeit, in der ich mir der Anerkennung meiner »Kameraden« sicher sein konnte.
Ein paar Monate später allerdings nutzte ich die Möglichkeit, mich an Reinthaler zu rächen. In Claudias Fotoalbum entdeckte ich ein Nacktfoto des Salzburger »Gauleiters«, das ihn mit gespreizten Beinen und einem wollüstigen Gesichtsausdruck zeigte. Dieses Foto verschickte ich nun meinerseits als Kopie in der rechten Szene, Damit war ihm der Spott vieler Neonazis sicher.
»Kamerad« Reinthaler wurde vor kurzem zu vier Jahren Haft wegen Verstoßes gegen das NS-Verbot verurteilt.
»Bereichsleiter Ostmark«: Gottfried Küssel
Nach dem Tode von Michael Kühnen sah auch Gottfried Küssel sich als der »neue Führer«. Er behauptete, Kühnen habe ihn an seinem Totenbett als legitimen Nachfolger bestimmt. Das haben viele angezweifelt, zumal auch nichts Schriftliches vorliegt.
Ich wurde nach Kühnens Tod zu einer intensiven Kaderschulung nach Wien beordert. Dort machte Küssel mich mit seinen Vorsorgemaßnahmen für den Fall einer Machtergreifung bekannt. Sämtliche Ministerämter für eine neue »Regierung der nationalen Erhebung« hatte er verteilt. Ich sollte Reichsfinanzminister werden. Sogar an den biederen Oliver Schweigert, der in Antifakreisen als geistig beschränkt und nur bedingt zurechnungsfähig gilt, hatte Küssel gedacht. Ihn, über den eine linke Zeitung geschrieben hat, er sei nicht besonders schlau, dafür aber bei allem dabei, sah Küssel als künftigen Reichsverteidigungsminister. In dieser Art waren alle Ministerposten vergeben, einzig der Platz eines Reichskanzlers blieb unbesetzt. Den hatte er wohl für sich selbst vorgesehen. In einer Schulung, die mir schon damals ziemlich bescheuert vorkam, wurden wir durch Küssel auf unsere künftigen Aufgaben als Minister vorbereitet. Auf diesen bierernsten »Kameradschaftsabenden« wurde das Ganze irgendwie albern. Nichtsdestotrotz tauchte eines Abends bei einer solchen Gelegenheit ein bekannter Politiker von einer ernstzunehmenden, offiziellen österreichischen Partei auf, um ein Grußwort an die anwesenden »Kameraden« zu richten. Uns Berlinern schüttelte er zum Abschied extra die Hand, und nach fünf Minuten war er wieder verschwunden.
Hatten wir den »Schulungsabend« hinter uns, zogen wir mit Küssel die ganze Nacht durch die Kneipen von Wien.
Wenn die Angestellten in seiner Wiener Stammkneipe ein Taxi für ihn riefen, baten sie ausdrücklich darum, keinen ausländischen Fahrer zu schicken.
In einem Interview bestätigte Küssel bereits die Querverbindungen seiner Organisation zur »Freiheitlichen Partei Österreichs«, deren Vorsitzender Jörg Haider ist, Küssel sprach in diesem Interview von »guten Kontakten« und bescheinigte sich eine »gewisse Einflußnahme auf Leute, die wir kennen«. Der rasante Aufstieg von Jörg Haiders Partei sei zwar für Küssels »Volkstreue Außerparlamentarische Opposition« kurzfristig von Nachteil gewesen, da alle national gesinnten Österreicher dadurch an die FPÖ gebunden waren, »auf dem wiederbearbeiteten Terrain können wir uns aber besser bewegen«, schätzte Küssel die Situation ein.
Küssel wurde am 7. Januar 1992 in Wien festgenommen. Seitdem befindet er sich in Untersuchungshaft. Der VAPO-Chef soll in Interviews für die amerikanischen TV-Stationen CNN und ABC die Wiederzulassung der NSDAP gefordert und die Massenvernichtung der Juden geleugnet haben. Zu Prozeßbeginn zitierte Staatsanwalt Josef Redl aus den Publikationen der Vapo, denen zufolge sie ins österreichische Parlament einziehen und sich dann in NSDAP umbenennen wolle. Die ultrarechtsradikale Gruppierung habe sogar einen Putsch in Betracht gezogen, sollte die Machtübernahme mit demokratischen Mitteln nicht gelingen. Ziel dieser Organisation sei die »gänzliche Abschaffung« der Demokratie. Küssel muß sich wegen nationalsozialistischer Betätigung verantworten. Der Strafrahmen in Österreich erreicht dafür das Maß bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Küssel, mehrfach einschlägig vorbestraft, wurde am 1. Mai 1990 von dreihundert Neonazis in Cottbus mit »Sieg Heil«-Rufen und »Ausländer raus«-Parolen als Kühnen-Nachfolger gefeiert. Inzwischen hält sich Küssel vor
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