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Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Titel: Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Hasselbach , Winfried Bonengel
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Raum gemietet. Wir saßen zu dritt an einem Tisch, als Reinthaler sagte: »Dann wollen wir mal anfangen.«
    »Warten wir nicht, bis die anderen kommen?«
    »Da kommt keiner mehr.« Er hielt einen mehr als langweiligen Vortrag über die »Gaue in Österreich«. Daß seine beiden Zuhörer dem Vortrag nur begrenzte Aufmerksamkeit schenkten, schien ihn nicht weiter zu stören. Beim Abschied überreichte er mir seine Visitenkarte, auf der stand: »Günther Reinthaler. Gauleiter Salzburg.«
    Einmal hat Reinthaler mich gefragt, was ich täte, wenn er mir sagen würde, ich solle für viel Geld einen Typen umbringen. Ich antwortete, daß ich das ablehnen würde. Aber vielleicht wollte Reinthaler mich nur auf die Probe stellen.
    In der Weitlingstraße gab Reinthaler sich als armer Student aus, obwohl bekannt war, daß er mehrere Eigentumswohnungen in Berlin, Barcelona und Salzburg besitzt. Auch sein neuwertiger BMW paßte nicht zum Bild des Studenten. Zwei Tage vor der deutschen Wiedervereinigung sprengten Autonome diesen BMW in die Luft - der Wagen mit dem auffallenden Salzburger Kennzeichen war in linken Berliner Kreisen zu bekannt. Am Tage der Wiedervereinigung fuhr ich mit Reinthaler zur Friesenstraße, um sein ausgebranntes Auto zu identifizieren. Wir verfuhren uns und wurden in der Oranien-Straße vom Bundesgrenzschutz angehalten. Dort war eine Demonstration von mehreren tausend Autonomen gegen die Wiedervereinigung im Gange. Die Beamten durchsuchten unser Auto und fanden mehrere Schlagstöcke darin. Wir wurden festgenommen und zum nächsten Polizeiwagen geführt.
    Dabei mußten wir mitten durch die Menge gehen. Die Linksradikalen beschimpften uns: »Hasselbach, du Nazischwein, Reinthaler, du braune Ratte.« Zum erstenmal war ich froh, mich in einem vergitterten Polizeiwagen wiederzufinden. Im Wagen saß mir und Reinthaler ein langhaariger Autonomer mit einem Antinaziaufnäher gegenüber. Wir fingen an, den Linksradikalen zu provozieren, bis er Angst bekam. Er sagte auf der ganzen Fahrt zum Revier in der Perleberger Straße kein einziges Wort. Dort sperrte man mich und den Autonomen in eine Zelle, in der bereits vierzig Linksradikale saßen. Ich hatte tierische Angst davor, daß man mich erkennen oder der Autonome mich verraten könnte. Vor Angst konnte ich die ganze Nacht über kein Auge zumachen. Aber merkwürdigerweise ließ man mich in dieser großen Gemeinschaftszelle vollkommen in Ruhe. Nach zwölf Stunden konnte ich am nächsten Morgen wieder gehen.
    Reinthaler war schon am Abend wieder freigelassen worden, das mußte damit zusammenhängen, daß er einen großen Hund bei sich hatte.
    Die Angelegenheit mit Claudia war aber bei Reinthaler nicht vergessen. Er drohte damit, mich eines Tages fertigmachen zu wollen.
    Als er ein paar Monate später an jene Polizeiprotokolle gelangte, die Frank Lutz, zwei andere und ich während unserer letzten Inhaftierung im Mai 1990 bei der Polizei unterschrieben hatten, hielt er diesen Tag für gekommen. Wir hatten in diesen Protokollen Äußerungen über uns bekannte allgemeine Strukturen in der rechten Szene der DDR und der Bundesrepublik gemacht, Aussagen, die bis auf den heutigen Tag niemanden konkret belasten und deren Inhalt zu jener Zeit dem Staatsschutz auf jeden Fall bereits bekannt gewesen ist.
    Reinthaler gab die Protokolle an Gottfried Küssel weiter, der sie an die gesamte Szene verschickte. In einem Begleitbrief forderte Küssel verschlüsselt zur Rache an uns beiden auf, er schrieb unter anderem: »Daß, würde sich herausstellen, Lutz und Hasselbach die angesprochenen Aussagen tatsächlich getätigt haben, die Grenzen des guten Geschmacks bei weitem überschritten wurden, ist offensichtlich. Wie ihr darauf zu reagieren habt, überlasse ich eurem Feingefühl.«
    Reinthalers Planungen, mich umzulegen, waren wesentlich konkreter, als Küssels »Anregung« es sein durfte.
    Christian Worch schrieb daraufhin einen Brief an Reinthaler, Küssel und mich, durch den er mich vor den schlimmsten Reaktionen innerhalb der Szene bewahrte. Indem er mit seinen eigenen vier Jahren Knasterfahrung, Bibelzitaten und eindrucksvollen Beispielen argumentierte, konnte er Reinthaler von seinen Mordplänen abbringen. In seinem Brief meditierte er auch über Begriffe wie »Verrat« und einer automatischen Reaktion darauf, die lauten könne, daß Verräter der Feme verfallen würden. Feme könne aus bestimmten Gründen nicht (mehr) praktiziert werden und man wolle das auch nicht, und so sei die

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