Die Abrichtung (German Edition)

ich bleibe frei. Besitzlos, aber ein freier Punker. Draußen darf ich machen, was ich will. Und meine Haare bleiben auch so, ja?»
    Das hatte ich nicht erwartet, nach der Zurückgezogenheit der letzten Wochen. Aber so wird das Leben im Haus noch einfacher und sinnvoller. «Ich nehme deine Klamotten an, Punk. Morgen ziehst du die Hose an, die du jetzt an hast, und ein langärmeliges Hemd vom Schwein. Du gehst barfuß aus dem Haus und kaufst in der Mittagspause im Army laden Knobelbecher. Die brauchen wir hier sowieso. Und, ja, du bleibst frei.»
    Ich nenne einen geringen, doch angemessenen Betrag für die Miete, Essen und Reinigung. Punk soll keine Hausarbeit machen. Am Abend gehe ich in den Keller und sehe, wie das Schwein und Punk sich gegenseitig ablecken, lange und gründlich.

Begabungen  
    Das Schwein studiert erfolgreich und erhält Einsen und Zweien. Sein Oberkörper wird stärker: das Krafttraining tut seine Wirkung. Zweimal in der Woche ist in Zukunft genug, es soll keine Sucht werden. Anscheinend geht dieser Maik neuerdings mit. Das Schwein verbringt auch manche Abende mit seinen Kommilitonen, hat aber noch niemand mit nach Hause gebracht.
    Als ich in der Nähe des Juwelierladens zu tun habe, schaue ich mal rein. Werner hält mir einen Ring unter die Nase: «Hat dein Punk dir eigentlich davon erzählt?» Ein goldener Männerring mit einem Ornament. Auf den ersten Blick elegant und kunstvoll. Wenn man genauer hinsieht, ist das Ornament ein kleiner Hodensack mit erigiertem Phallus, anatomisch korrekt. Eine Miniatur, ausgeführt mit der Sorgfalt dieser in Kirschkerne geschnitzten Porträts aus der Sammlung des Königs von Sachsen. Und sehr unanständig.
    «Was ist das?» – «Das hat dein Punk gemacht. Ich hatte ihm Zahngold gegeben, das diese alte Tucke aus dem Boots gebracht hatte, nachdem sie ein Gebiss verpasst kriegte.» – «Na, dann kann die es ja rausnehmen beim Blasen. Aber sag das noch mal! Den Ring hat Punk gemacht? Ohne Vorgabe?» – «Ja, war seine eigene Idee. Auf einmal war es da. Er hat auch einen Zweck, Selbstverteidigung. Der Gentleman kann mit dieser Erektion einem Angreifer ähnlichen Schaden zufügen wie mit einem Schlagring. Und weißt du was? Ich kann den ja nicht gut hier ins Fenster stellen. Ich habe ein Bild nach RoB in Amsterdam geschickt, und er ist schon verkauft. Zu einem unanständigen Preis, aber das sind die Kunden von RoB ja nicht anders gewohnt. Jetzt arbeitet er an Intimschmuck. Ich habe auch in München und Berlin Adressen, die es verkaufen wollen. Ist schon prima angelaufen. Nur in meine Kollektion hier im Laden passt es leider nicht.»
    Werner Schwichtenberg ist überhaupt nicht mehr tuntig. Sollte das durch seinen neuen Mitarbeiter kommen? Punk fährt sicher nicht auf so was ab und gibt ein ganz anderes Vorbild.
    «Werner, du bist reich. Du nutzt ihn doch nicht etwa aus?» – «Eh … ahem …, ach so, nein, finanziell ganz sicher nicht. Wenn du willst, zeige ich dir die Papiere. Ich lasse ihn für sich selbst arbeiten. Er bezahlt einen festen Preis für die Benutzung der Werkstatt und meine Vermittlung. Ich will wirklich nicht auf seine Kosten verdienen. Glaub mir! Aber er soll auch nicht das Gefühl haben, von mir ausgehalten zu werden. Für die Reparaturen und Änderungen, die er für meinen Laden macht, wird er normal bezahlt. Das bringt ihm mehr, als diese Miete kostet. Na ja, eine gewisse Förderung kriegt er, weil er das Gold für seine eigenen Entwürfe nicht vorfinanzieren muss. Und dafür zeigt er sich manchmal, eh, erkenntlich.»
    «Werner, Punk scheint dir gut zu tun. Du gehst mir gar nicht mehr auf die Nerven. Ab morgen schicke ich ihn dir anders gekleidet. Du solltest ihn zwei Stunden am Tag auch im Laden einsetzen. Erstens, damit er auch das lernt, zweitens könntest du ruhig ein neues Marktsegment anbohren. Aber der Hahnenkamm bleibt!»
    Am Abend trage ich Punk auf, auf seine Kosten zwei knallenge weiße Jeans zu kaufen. Das Schwein muss ihm jeden Tag ein frisches Oberhemd bügeln, natürlich ohne Knöpfe, und die Stiefel polieren.
    Das Schwein dahingegen studiert in schwarzem Leder. Seinen Noten hat das bisher nicht geschadet.

Fest  
    Im Dezember sind die ersten großen Projekte des Semesters fertig. Das Schwein hat Ratte und Maik zu einem kleinen Fest eingeladen. Sie fangen um fünf Uhr an und wollen zusammen kochen. Punk und ich sind auch eingeladen. Ich stifte gern Sekt und Wein. Punk will später kommen, ein Kunde aus Brüssel hat goldene