Die Abrichtung (German Edition)
Freundschaften stehen auf dem Spiel. Muss ich mich einschalten? «Maik, was hast du gerade gesagt?» – «Ob es sein könnte, dass ich schwul bin. Auf so was wäre ich bisher nie gekommen. Kann doch sein, oder?»
Jetzt sind alle anderen mit Stummheit geschlagen. Ratte bekrabbelt sich als erster: «Nee, Maik, du nich. Spießer wie du brauchen ne Muschi. Und dicke Titten, die sie den ganzen Tag anglotzen und begrapschen können.» Das Schwein und Punk schauen sich gegenseitig an und ringen nach Worten.
Ich fühle Verantwortung. Es ist mein Haus, auch wenn das Schwein heute Gastgeber ist. «Maik, du bist doch hochbegabt und hast keine Vorurteile, oder? Macht dir der Gedanke Angst?» Maik denkt lange nach. «Ja, ich glaube, er macht mir Angst.» Jetzt beginnen alle drei zugleich auf ihn einzureden. Ich rufe: «Still! Lasst Maik jetzt sofort ausreden!» Maik denkt wieder nach. «Ja, der Gedanke macht mir Angst. Weil ich ihn nicht eher hatte. Es könnte doch sein, oder? Aber es kam in meinem Denksystem nicht vor. Obwohl ich natürlich alles gelesen habe. Aber nie über mich selbst nachgedacht.» Ratte fällt dem Schwein um den Hals: «Frau Nachbarin, Ihr Fläschchen! » Er kennt seine Klassiker. Das Schwein auch: «Riechsalz hilft hier nicht.»
Plötzlich wird Punk fast wütend. «Haltet doch endlich mal euren blöden Mund! Maik, ich kann dich verstehen. Ich lebte ganz anders als du, aber auch ich hab nie über mich nachgedacht. Und dann, in Berlin, kam ein Auto und hielt an. Und dann habe ich monatelang immer noch nicht richtig nachgedacht. Und jetzt schmiede ich goldene Pimmel.» Dieser Kurzfassung kann kein Mensch folgen …
«Maik», sage ich, «jetzt bring bloß nicht alles durcheinander. Was du hier heute Abend siehst, hat mit schwul nichts zu tun. Die meisten Schwulen leben ganz bürgerlich, kleiden sich normal, man merkt ihnen nichts an, solange sie nicht plötzlich heiraten und Kinder adoptieren. Darum merkt man ja auch nicht wie viele es gibt. Von Leuten wie uns wollen die nichts wissen. Und umgekehrt: wenn du das Gefühl der Lederhose geil findest, obwohl Leder bekanntlich nicht zu dir passt, braucht das gar nichts zu heißen über deine Orientierung.» – «Ich bin durcheinander, aber ich bringe nichts durcheinander », sagt Maik.
Das Schwein sagt das einzig Richtige: «Leute, wir essen jetzt zu Ende und reden nicht mehr drüber. Das ist ein Fest und keine Selbstfindungsgruppe. Und weil ihr alle besoffen seid, lasse ich euch nicht mehr auf die Straße. Alle bleiben hier. Meine Matratze ist groß genug. Maik, ja?» – «Ja. Aber Geduld! Ich habe ja keine Erfahrung.» – «Spinner!»
Nach dem Essen trinken wir im Wohnzimmer noch ein Glas. Das Schwein, wie immer zwischen meinen Beinen auf dem Boden, dreht sich herum, knöpft ganz unbefangen meine Hose auf und sagt: «Herr, bevor wir runtergehen, will ich mich noch bedanken, dass meine Freunde hier übernachten dürfen.»
Maik schaut sich alles ganz genau an.
Erwacher
Punk erscheint als erster. Er muss ja diesen belgischen Sklaven in goldene Ketten schmieden. «Alles prima in Ordnung da unten, Herr.» Ich lasse ihn heute die Lederhose und Lederjacke anziehen und schärfe ihm ein, dass er die Jacke zum Schmieden ablegt.
Die Wintersonne scheint hell ins Zimmer, als die anderen drei auftauchen, alle nackt. Maik sieht aus, als schwebe er auf einer rosa Wolke. Er sagt nicht viel, aber man sieht, dass die Verwirrung in Glück umgeschlagen ist. Beim Frühstück fassen alle einander immer wieder an. Danach gehen sie wieder runter und eine Stunde später zusammen unter die Dusche.
Maik steht lange mit seinen makellosen Jeans in der Hand. «Ratte? Können wir tauschen? Du hast mein Hemd zerrissen, also behalte ich deines. Aber dazu passt meine Hose nicht. Ich will auch deine Jeans, mit deinem Geruch. Spüren, wie das ist, zerrissene Jeans.» – «Traust du dich denn damit auf die Straße? » – «Klar, jetzt ist mir alles egal.» – «Wenn du meine Hose willst, musst du sie dir verdienen.» – «Ich mach alles, was du willst.» – «Auch wenn dein Leben danach nicht mehr dasselbe ist?» – «Für dich mach ich alles, Ratte.»
Ratte wendet sich an das Schwein: «Ihr habt doch sicher hier ne Haarschneidemaschine, für deinen Chef. Im Badezimmer? Ok, und du blas dem Maik mal einen, langsam und ausdauernd, damit er das in guter Erinnerung behält.»
Ratte holt die Maschine, streichelt Maik, knabbert an seinem Ohr herum, leckt und flüstert: «Für
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