Die Abrichtung (German Edition)
zuschnüren und man trägt die Fessel darüber. Ob er sich nun bitte entscheiden würde, ob er es macht. Man brauche ja einen wirklich guten, traditionellen Handwerker. Einen Fachmann vom alten Schlag. Schon allein, weil die Handfesseln ja relativ eng sein müssten; die könnte nicht jeder Stümper mit einer Maschine vernieten, ganz einfach, weil der Backen der Maschine nicht dazwischen passen. Dass ich so weit mitdenken kann, hat er wohl nicht erwartet.
Endlich ist er überzeugt. Und bei seiner Handwerkerehre gepackt. Er beginnt nachzudenken. Und schaut das Schwein immer unverhohlener an, das geduldig danebensteht, wie jetzt immer mit freiem Oberkörper.
Schwarz also? Zur Hose passend? Und wirklich stabil? So wie diese Riemen hier, die für Kutschen verwendet werden? Ich könne froh sein, dass ich an ihn geraten bin. Kein anderer Sattler oder Schuster hätte so was noch, wirklich keiner. Aus dem alten Ungarn. Ich bin beeindruckt. Und es sei ja sowieso zu wenig für ein Pferdegeschirr. Ja, erst Löcher machen mit einer Ahle, dazu hätte ja heutzutage auch niemand mehr Geduld, und dann nähen mit Zwirn. Oder mit Kupferdraht? Nein, mit beidem. Der Zwirn hält absolut sicher, und der Kupferdraht verhindert, dass man die Naht mit einem Messer auftrennen kann. Nur noch Zerschneiden des Leders bliebe möglich, aber das sei bestimmt mühsam und langwierig.
Und dann grinst er. Die Hose müsse dann aber aus, nicht nur die Stiefel. Er könne es bei so anspruchsvoller Arbeit nicht gebrauchen, dass da Hosenpfeifen im Weg herumschlabberten. Allein schon beim Messen. «Kein Problem», sage ich, «und wenn wir Ihnen sonst noch von Diensten sein können – darüber lässt sich reden. Schwein!»
Das Schwein zieht gehorsam Stiefel und Hose aus. Sein Schwanz ist halbsteif. Beim Messen richtet er sich noch weiter auf. Vier Fesseln, die sich nie wieder ablegen lassen – das ist fast so aufregend wie die erste Tätowierung. Aber tätowiert werden soll das Schwein noch nicht.
Der Sattler misst, schneidet, stichelt, misst wieder, stichelt weiter, schmirgelt, befestigt die D-Ringe mit schweren Nieten, unterlegt die mit dünnerem Leder, und dann beginnt er zu nähen. Er schiebt ein Stück Leder zwischen Handgelenk und Manschette, damit die gefährliche Nähahle keinen Schaden anrichten kann. Einfach ist diese Arbeit nicht, aber inzwischen hat er offenbar gut nachgedacht und eine Naht geplant, die sich mit ein wenig Gefummel auch nähen lässt.
Als sich abzeichnet, dass es länger dauern wird, lasse ich die beiden alleine. Ich sage noch: «Die vordere Nutzöffnung dürfen Sie gerne gebrauchen. Aber nur die bitte.»
Als ich am Abend wiederkomme, kniet das Schwein am Boden. Seine Arme sind mit den neuen Fesseln an der Werkstattwand befestigt. Es trägt auch ein Maulgeschirr. Eine Röhre aus demselben dicken Leder wird zuverlässig zwischen den Zähnen festgehalten. Auf seiner Brust trocknen weißliche Tropfen. Der Sattler ist viel besser gelaunt als am Vormittag. «Schauen Sie mal, was ich zwischendurch noch gemacht habe. Einfach reinstecken und wohlfühlen. Mit Fremden kann man ja nicht vorsichtig genug sein. Funktioniert prima.» Er grinst wieder: «Sie können in Naturalien bezahlen. Schicken Sie das Schwein noch vier Wochen jeden Dienstag und Freitag vorbei, eine halbe Stunde lang. Dann ist es erledigt, und Sie erhalten das Maulgeschirr als Zugabe.» – «Es ist mir eine Ehre», sage ich.
Zeichnung
Ratte und Sucker sind zurück aus England. Sie sehen gesund und gut erholt aus, strahlen, sind immer noch verliebt – und bauen englische Wörter in ihre Sätze ein. Das Praktikum ist anscheinend fast von selbst gelaufen, die Punk-WG war geil, und sie haben so viele Eindrücke, dass sie mit dem Erzählen gar nicht nachkommen.
Vor allem aber ist Sucker auf der linken Seite tätowiert. Alles passt zusammen und sitzt so gut auf seinem Körper, dass es dessen natürliche Schönheit hervorhebt. Nirgendwo ein Fremdkörper. Und alles ist handwerklich perfekt ausgeführt.
Auf dem Schädel ist das Tattoo so angebracht, dass man es unter Haaren verbergen könnte, selbst bei beginnender Kahlheit. Ratte ist wirklich sorgsam. Übrigens wäre es schade drum. Es passt auch zu Rattes eigener Schädeltätowierung. Wenn die beiden nebeneinander stehen, sieht man, dass sie zusammengehören.
Dann ist da ein großes Tattoo auf dem Oberkörper, von der Brustwarze über Schulter und Oberarm bis fast zur Wirbelsäule. Ganz verbergen lässt es sich nur
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